I tried to fight it:
It’s not so strong
it’s not so strong …
Then I ended up
at the emergency
the third time in one day.
But it’s strange,
I don’t know if I would be able
to see the limits,
I would always be pushing until
the very last moment.
Ich könnte beliebig viele Faktoren im Aussen nennen, aber letzten Endes kommt die Krankheit von innen.
Ich habe es jetzt einfach so akzeptiert, dass es ist, so wie es ist, umgebe mich mit Freunden, die mich so akzeptieren, wie ich bin und widme mich der Arbeit in einer Form, die zulässt, dass ich so sein kann, wie ich mich gerade fühle.
Es würde mich wundernehmen, ob es möglich ist, in einem der letzten noch verbliebenen Urwaldstämmen Menschen mit Migräne zu finden.
Es gibt viele Menschen,
die mit der Heimarbeit nur schwer klar kommen, weil ihnen der vorgegebene Takt fehlt.
Die Messlatte der Akzeptanz
in der heutigen Gesellschaft ist bei einem Dauergutgehen und -funktionieren angelegt.
Das Korsett trug ich ja immer und es war ständig Thema, und die Migräne bekam ich ja «nur» einmal die Woche.
Eine Wiederholung, im Sinne einer identischen Repetition gibt es beim Menschen nicht.
Ungewohntes oder Neues bewusst an Gewohntes anknüpfen, damit die Erfahrung nicht im Eiltempo durchs Kurzzeitgedächtnis rauscht und auf der tieferen Erinnerungsebene nichts verändert wird.
Kreuz und quer und
unter anderen Schichten verborgen und auf den ersten Blick passt es nicht zusammen.
Ich bin mir noch nicht ganz klar, wie ich Ihnen am besten helfen kann. Ich muss nochmals in Ruhe darüber nachdenken.
Wir müssen eine Passung herstellen können zwischen Arzt und Patient.
Der Dialog ist die Form, in der wir lernen.
Wenn ich es jetzt Jahrzehnte lang so gemacht habe, dann kann ich es jetzt auch noch so weitermachen.
Das Denken ist abgeschaltet, man ist nur mit sich selbst beschäftigt, Decke drüber und ich bin nicht mehr vorhanden.
… die Hände vor die Augen halten oder auch mit den Händen den Nacken massieren oder dass ich mir die Haare so raufe.
Ich habe zu sprechen begonnen praktisch mit den Worten:
«Aua, Kopf …»
Und damit hat dann eigentlich auch die Suche angefangen.
Ich habe Vieles ausprobiert, merkte aber, dass ich meinen eigenen Umgang mit den Schmerzen finden musste.
Es ist schon eine grosse Erleichterung, wenn man weiss, man darf Schmerz empfinden, auch wenn es dafür keine körperlichfassbare Erklärung gibt.
Ich habe mich immer dafür interessiert, was wohl dazu führt, dass jemand diese Schmerzen hat und man nichts findet.
Der direkte Austausch
fehlt sehr.
Emotionen bilden sich immer auch im Körper ab.
Zurückschauen um zu sehen, was man für Muster gelernt hat und dann im Jetzt sehen, was brauche ich aber heute für eine Strategie, um mir selbst zu helfen.
Für viele Patienten
ist es immer noch das
Wichtigste, einen physischen «Defekt» zu finden, welcher die Schmerzen erklärt.
Vielen Menschen könnte
man viel früher und besser helfen, wenn von Anfang an interdisziplinär gedacht und gearbeitet würde.
Die Realität in der sich Schmerzleidende befinden, ist um vieles komplexer als man von aussen zu sehen vermag.
Wenn an einem Ort
gezogen wird, bewegt sich alles andere mit.
Im Schmerz kommen viele existentielle Themen
des Menschen und des Menschseins zusammen.
Ich schaue auch sehr
darauf, wie das was mir die Patienten erzählen, mit
ihrem körperlichen Verhalten zusammenpasst.
Die Angst vor den Schmerzen ist dann praktisch das erste Problem und nicht die Schmerzen an sich.
Wenn es einfach nur «weh tut» und man aber von aussen nichts sieht, dann ist es schon schwierig auch für das Umfeld, damit umzugehen.
Sie denken, als Physiotherapeutin bin ich nur für den Körper zuständig und beurteile demnach nicht was sie mir erzählen.
Die immer noch stark verankerte Auffassung der Trennung von Körper und Geist ist ein grosses Problem in der Behandlung von chronischen Schmerzen.
Die, die auf der ewigen Suche bleiben, muss man auch irgendwann wieder freigeben und weitersuchen lassen.
Durch Wiederholung die Angst
vor Schmerzen sukzessive überschreiben.
Für einige Schmerzpatienten ist der Schmerz zum Lebensinhalt geworden.
It’s tiny, because
you are just one person,
but at the same time
it’s huge, because it
takes everything.
Am Anfang war ich sehr gestresst damit, wenn Leute sagten, das ist sicher psychosomatisch, du musst mal in dich gehen, guck mal deine Ehe, deine Kinder etc.
Das gesendete Signal ist erstmal wertneutral und die Bewertung «Schmerz» findet ja erst ganz zum Schluss statt.
Wir erklären Dinge gerne mehrmals, oft in einfachen Worten und je nach Patient auch auf «Buuredütsch».
Aber dann halten die Schmerzen halt trotzdem an und es geht nicht so schnell, wie sie sich das vorgestellt haben.
«Mir tut die Schulter weh und ich habe ein Problem mit der Schulter und nicht im Kopf.»
Wir geben alles tagsüber, sind voll für die Patienten da, müssen aber am Abend mit freiem Kopf nach Hause gehen können.
…habe aber eine super Sportärztin und einen super Physiotherapeuten, zu denen ich Vertrauen aufgebaut habe, und bei denen bleibe ich jetzt.
Das Ärztehopping
war mannigfaltig.
Was rausschneiden, rauskratzen, zwei Schnitte reinmachen, runterziehen und mit Widerhäkchen rein … Zwei Wochen Spital,
drei Monate Krücken,
neun Monate Reha …
Das habe ich abgelehnt!
Ich verändere meine ganze Haltung, die Bewegung verändert sich. Irgendwann merke ich es dann auch im Rücken und in der Schulter und es zieht auch bis in den Kopf.
Es war eh Weihnachten, deshalb
fiel es niemandem jobmässig auf,
dass ich eine Woche im Bett lag.
Es gibt auch Momente
des unverhofften Glücks,
wenn ich intuitiv aufs
Tram renne und dann merke:
Oh wow, ich konnte rennen
und ich hatte keine Schmerzen.
Ich finde, in jeder Überzeugung,
jeder Diagnose sollte Raum
für Zweifel sein, der auch
offen kommuniziert werden kann.
Es sollte vermehrt in den Schulen schon gelehrt werden, so einfach wie
«höre auf deinen Körper», «ernähre dich gut», das Aufzeigen des Zusammenspiels zwischen physischem und psychischem Befinden.
Ganz weg geht das Bewusstsein um die Schmerzen nie.
Ich habe mich nie gefragt,
wie ich den Ablauf neu
ordnen könnte.
Ginge es möglicherweise darum, eine neue Optimierungsmöglichkeit zu entdecken?
Im Moment des Schmerzes ist einfach nichts mehr da.
Es gibt so viele Punkte,
in immer unterschiedlicher Verbindung.
Ich kann nicht sagen: «Das ist es, davon hängt es ab.»
Es wurde mir abgeraten, zu operieren.
Dann Hüftgelenksarthrose.
Zwischen zwei Hüftgelenksoperationen hatte ich dann die Spinalkanalstenosen-Operation.
Dann kam der Fuss.
Künstlicher Knochenbruch und Positionskorrektur.
Grosser Zeh mit Arthrose, auch gleich operiert.
In der Anstellung musste ich dann halt meine Stunden einhalten und vor dem Computer sitzen bleiben.
Ich habe noch keinen Arzt gefunden, der mir sagt: «Sie kommen als Person und nicht als unterschiedliche Krankheiten.»
Wieviel Bewusstsein gehört dazu oder was muss man sich da überhaupt bewusst sein, bei den ganzen Wiederholungen?
Mittlerweile habe ich Podcasts entdeckt.
Nun liege ich jeweils im Dunkeln und höre mir dann immer alles an, was mich gerade interessiert.
OK, dann werde ich halt Nachtschicht-Taxifahrerin, aber im Dunkeln, ist mir dann das Scheinwerfergegenlicht in den Augen so schmerzhaft …
Ich wüsste wirklich nicht, welchen Beruf man
mit einer solchen Migräne einfach so ausüben könnte.
«Sie finden nichts, da ist nichts, Sie haben nichts.» Dies heisst übersetzt: «Ich bilde mir das ein.»
Die hauptsächliche Wiederholung ist, dass du immer wieder Schmerzen erlebst und immer wieder keine vernünftige Erklärung dafür findest, dass keine somatische Ursache dafür gefunden wird. Die wiederholte Erfahrung, dass du zu Therapeuten gehst, die dir auch nicht helfen können. Jedes Mal keimt Hoffnung auf. Jedes Mal investierst du Vertrauen, jedes Mal wirst du wieder enttäuscht. Daraus wird dann gefolgert: «Mir kann ja eh keiner helfen», was dann oft in eine Depression hineinführt.
Eirini Sourgiadaki,
headache due to a cerebral arteriovenous malformation. It was
found after seven years of chronic pain treatment!
2020-04-06 10:49 Uhr, Homeoffice
00:01:24.145 — 00:01:47.988
Gesture Backhead
00:01:51.293 — 00:02:34.153
Whats the issue/What happened
00:01:55.253 — 00:02:30.182
Gesture while describing
00:02:34.279 — 00:03:28.260
I lost Time and Space, where am I?
00:03:21.223 — 00:03:37.691
Diagnosis/Cause found: malformation in the nerves of the brain
00:03:41.868 — 00:03:59.533
side Pain: Neck pain Syndrome
00:04:09.299 — 00:04:11.299
Medical Term of Cause: https://en.wikipedia.org/wiki/Arteriovenous_malformation
00:04:18.348 — 00:05:12.973
Medical Description: probably born with it, but very rare, so not well researched
00:05:59.589 — 00:06:27.458
Brain Surgery
00:06:15.127 — 00:06:36.889
This Starts when I am stressed
00:06:21.342 — 00:06:35.897
Origen Gesture: she cannot tell if the pain is coming from the neck or the head
00:06:38.745 — 00:07:00.220
The Doctors said: no no it’s fine, you don’t have anything
00:06:39.368 — 00:06:58.014
Gesture of “Headache” while saying, no no it’s fine
00:07:04.230 — 00:07:31.493
Nothing worked, no painkillers worked, started vomiting
00:07:34.684 — 00:07:57.305
it creates aneurysms https://de.wikipedia.org/wiki/Aneurysma
00:08:06.239 — 00:08:40.491
Surgery: Skull opening, later radiotherapy, wie bei Krebs, weil die malformation immer noch da war.
00:08:53.398 — 00:09:17.721
Still having headache sometimes, but not this terrible, devastating one, which no painkiller would work
00:09:04.317 — 00:09:35.095
still, if I get a slight headache, I get panicked
00:09:22.188 — 00:09:24.188
First occasion of the pain/probably the beginning: dancing, when I was younger, then I had an injury in the back
00:09:43.533 — 00:09:57.432
then stress, in very stressful situations it is coming back. I have this muscle spasms and then it starts
00:10:00.411 — 00:10:42.108
For me it is all connected with my experience of pain, but for the doctors it was two different things.
00:11:17.351 — 00:11:53.589
two different causes, but the experience is one
00:12:19.896 — 00:12:57.623
it is fine, it is normal, women have it
00:12:54.645 — 00:13:20.457
Eye-rolling, thinking face (looks like she “scans” interiorly her pain experiences
00:14:23.498 — 00:15:06.189
Tabea: My Thesis/Proposal is that chronic pain is lying in such a complex and subjective way in the life of a suffering person, that it is basically impossible to take only some detail out. You cannot break it down to only medical facts, not only to biographical facts. One has to listen to all parts in order to get a glimpse of the whole picture.
00:17:35.603 — 00:18:07.868
This is also funny, you can’t just go to the doctor and tell him, what is wrong with me. its their job to search for it, I am not specialized. For me I was so upset after all this happens, I went for so many years to all these doctors to have these scans and all of this...
00:19:20.839 — 00:19:57.572
We are not “trained” to be patients. Doctors are trained medical specialists. –>anm. could there be a way to help people becoming “trained” patients?
00:20:18.917 — 00:21:15.506
Story about going to the optician: feeling obliged to answer something even she doesn’t see any difference...
00:20:27.851 — 00:21:02.600
Even I don’t feel any difference, I feel obliged to say something (to the doctor)
00:21:58.196 — 00:23:49.884
Description of how it feels
00:22:09.117 — 00:22:38.404
Paralyzing
00:22:44.856 — 00:23:05.705
Don’t stand light, noise, can’t talk to anybody
00:22:52.798 — 00:23:22.583
Gesture of the path the pain takes
00:23:20.100 — 00:23:52.366
I remember walking in the streets and laughing because of so much pain
00:23:41.446 — 00:24:20.164
Waves coming through the whole body
00:24:07.257 — 00:24:44.984
I went to the hospital and they said, ah no, it’s just nothing
00:25:07.817 — 00:25:24.696
It was not possible, because I needed to...
00:25:14.269 — 00:26:58.017
I tried to fight it… its not so strong its not so strong… then I ended up to the emergency the third time in one day. But it’s strange, I don’t know if I would be able to see the limits, I would always be pushing until the very last moment, that is like… I can not do anything from here, until the edge, the very edge. Like I couldn’t say for example I am in pain, but what is more important: to take care of my mother is’s more important than this… and then I was sure, that I could do it, it could take care of her. But then I, a few days later, you get that information, that your brain was bleeding. Its very… there is no balance somehow for me, at least there was no balance in pain management. I had no limits, I always thought, I could take more and more and more…
00:25:16.256 — 00:25:56.961
Gesture Hands on Face
00:25:25.192 — 00:25:57.954
I tried to fight it, but then I ended up the 3rd time in the emergency in one day
00:27:29.787 — 00:27:58.578
As soon as I feel a bit better, then I…
00:27:56.095 — 00:28:22.901
Gesture: My mother passed away: hand on chest
00:28:29.849 — 00:28:42.260
They insisted, that I should take a lot of tranquillizers
00:28:42.756 — 00:29:09.065
But I wanted to stop it, because it doesn’t help me. Then I started to feel a little bit better, without all this blurriness of the tranquillizers.
00:30:03.172 — 00:30:35.438
Facial expression of “guilt”... every-time I get stressed, I don’t know if I start it
00:30:53.804 — 00:31:10.682
I also have this memory of crying a lot, all these pressure in my head
00:30:56.286 — 00:31:37.486
Facial expression of “pressure”
00:31:11.178 — 00:31:35.998
I was so happy when they found out. It was so crazy, because ONE could explain it!
00:31:48.904 — 00:32:08.760
I had to let go out my voice with the breathing out, otherwise I could not relax, not in a screaming way, but with sound. No pain killer would help
00:32:14.717 — 00:32:45.493
letting go the breath with voice
00:33:40.095 — 00:34:00.448
I think it would take everything, all the circles of the spiral
00:34:04.420 — 00:35:06.469
It’s tiny, because you are just one person, but at the same time it’s huge, because it takes everything.
00:37:08.582 — 00:38:09.142
This pain was everywhere!
00:37:55.739 — 00:39:45.938
I studied sociology in Athens, and then cultural management, then I started poetry, Greek, English and American and dance, and then I came to Gessnerallee and got to know about master trans. I was also writing, I had 3 books published, then three more books. Performance, installation and, …
Cornelia Bremi, Migräne
2020-04-13 09:45 Uhr, Zuhause
00:01:15.253 — 00:01:43.445
Tabea: Interview-Art: Es ist mir wichtig, dass die Menschen so erzählen, wie sie erzählen, dass es ein Gespräch ist, kein Interview
00:04:52.969 — 00:04:54.969
Beginn Gespräch
00:05:08.714 — 00:05:22.374
Migräne: Wenn man gerade keine hat, kann man es sich gar nicht vorstellen, was es ist, und wenn man drin ist, ist es so grauenvoll und man sieht einem ja aber gar nichts an, es ist ja nicht wie ein Humpeln.
00:05:23.468 — 00:05:36.177
Es ist etwas was man in sich selbst trägt. … Man ist nicht mehr sich selbst.
00:05:37.902 — 00:05:39.902
Hab es seitdem ich 18 Jahre alt war. Bin jetzt 79!
00:05:57.312 — 00:05:59.312
Schmerz fängt an mit Müdigkeit, oder eine gewisse Esslust
00:06:07.664 — 00:06:09.664
Und wenn man es hat, ist man eigentlich nicht mehr bei sich selbst.
00:06:11.977 — 00:06:13.977
Teilweise so schlimm gehabt, praktisch 3 bis 4 mal in der Woche.
00:06:19.310 — 00:06:31.819
Ich habe mir gesagt: Ich kann nicht so viele Tage in meinem Leben verlieren.
00:06:22.761 — 00:06:24.761
Und nehme deswegen jeweils Medikamente
00:06:39.583 — 00:06:48.641
Aspirin, Dafalgan und noch irgendetwas aus Amerika
00:06:44.327 — 00:06:58.560
Es sind verlorene Tage, die man hat, wenn man Migräne hat. Es ist ein Schmerz, der einen auch nicht mehr richtig handlungsfähig macht. Ich kann nicht richtig denken.
00:06:59.424 — 00:07:05.188
Es ist einfach, wie wenn der Kopf nicht mehr da ist.
00:07:02.035 — 00:07:06.893
Tabea: Und anstelle des Kopfes?
00:07:08.628 — 00:07:14.648
Es ist einfach nichts da; Es ist ein verlorener Tag
00:07:15.111 — 00:07:23.678
Es pocht, es schmerzt
00:07:19.265 — 00:07:33.282
Örtliche Schmerzbeschreibung/Zeigen wo: Ich hab‘s oft von hier oben her, hier im Zentrum. Oder rechts und links in den Schläfen. Hinter den Augen, man sieht Farben/Blitze
00:07:23.965 — 00:07:25.965
Ein Wahnsinnsschmerz
00:07:31.275 — 00:07:39.015
Der restliche Körper, der interessiert einen nicht mehr, im Zentrum steht der Kopf.
00:07:52.059 — 00:08:03.669
Das Problem ist bei mir, dass es sehr oft nachts anfängt und man sagt ja, man soll die Medikamente frühzeitig einnehmen.
00:08:02.952 — 00:08:14.132
Tabea: Doch doch, ich hatte selber zwei Jahre lang furchtbar Migräne, ich weiss ein bisschen also…
00:08:09.689 — 00:08:39.789
Es ist wirklich was ganz Schwieriges und ich hab dann auch irgendwann; es gibt ja in den Behandlungen, wuahh ja das Psychische und als Frau, oder hast du eine Allergie und und und... Ich bin sicher, dass es auch eine Ursache sein kann, wenn ich sehe, ich bin spät ins Bett und ein Glas Wein, aber dann beim nächsten Mal hab ich ein Glas Wein getrunken und gar nichts ist passiert. Ich denke, es kann nur unter anderem auch ein Auslöser sein.
00:08:35.919 — 00:08:49.823
Dann habe ich aber erfahren, dass meine beiden Grossmütter auch stark an Migräne gelitten haben. Ja ok, dann ist es bei mir nicht psychisch, sondern erbbedingt.
00:08:53.693 — 00:09:00.430
Ja, ich hab‘s jetzt, ich muss der Sache gar nicht mehr grossartig nachgehen. Ich muss nur schauen, wie ich damit fertig werde.
00:09:11.467 — 00:09:22.790
Die berühmte Sonntagsmigräne. Ich habe drei Kinder und hatte einen sehr netten Mann.
00:09:23.793 — 00:09:29.813
Und dann ist mir aufgefallen, dass ich immer sonntags Migräne hab. Dachte ich Moment, dass kann es jetzt ja auch nicht sein.
00:09:30.817 — 00:09:34.544
Heute muss ich sagen, doch, dass kann es eben auch gewesen sein, damals.
00:09:34.687 — 00:09:38.270
Drei Kinder und berufstätig, dann bin ich halt am Sonntag wie “zusammengefallen”.
00:09:38.557 — 00:09:41.417
Dann kam der Kopf und sucht sich halt was er braucht: Ruhe.
00:10:04.787 — 00:10:12.097
Es ist nicht nur eine Sache, es ist rundherum irgendwie was, plus dem, was ich halt auch an Genen mitbringe.
00:10:13.531 — 00:10:22.560
Tabea: Welche Ebenen sind das/waren das bei dir? Wie liegt die Migräne in deinem Leben drin?
00:10:29.728 — 00:10:40.334
Die ersten Male war ich noch im Studium und wusste gar nicht so richtig, was das denn so ist, hab gar nicht gewusst, dass es Migräne gibt.
00:10:45.781 — 00:10:49.508
Hatte einfach manchmal “schlimme Tage”. Aber noch nicht so oft.
00:11:05.275 — 00:11:14.441
Je mehr ich wusste, desto weniger habe ich Rücksicht genommen (auf die Schmerzen), gar nie!
00:11:18.175 — 00:11:23.765
Nur manchmal hinterher, mir selbst gesagt, ok, das war jetzt vielleicht ein bisschen viel in letzter Zeit, was ich alles gemacht habe.
00:11:25.198 — 00:11:48.419
Mit der Zeit bin ich auch lockerer damit geworden. Am Anfang war ich sehr gestresst damit. Wenn Leute sagten, das ist sicher psychosomatisch etc. du musst mal in dich gehen, guck mal deine Ehe, deine Kinder, bla bla bla . NEIN das ist es alles nicht; es ist eine Krankheit, mit der man sich wirklich auseinandersetzen muss.
00:12:06.479 — 00:12:13.072
Jeder hat seine eigene Migräne und ich gebe deshalb auch gar keine Tipps mehr.
00:12:26.116 — 00:12:32.709
Tabea: Ich glaube, dass es eine Konstitution ist, die wenn sie benötigt wird, kommt.
00:12:42.026 — 00:12:47.043
Tabea: Ich hatte das so schlimm, dass ich bis zu 6 Anfälle pro Tag hatte und über zwei Jahre praktisch pausenlos.
00:13:16.857 — 00:13:25.027
Wenn ich das nachts kriege, bin ich immer noch wie ratlos, stehe im Badezimmer und denke, was nehme ich jetzt.
00:13:29.470 — 00:13:33.914
Aber jetzt hab ich nur noch so ein- zweimal im Monat.
00:13:40.794 — 00:13:44.800
Diese ganzen Medikament haben natürlich Nebenwirkungen.
00:13:49.537 — 00:13:55.414
Wirkung hat nachgelassen nach einer gewissen Zeit.
00:14:23.364 — 00:14:30.531
Verlauf Beschreiben ab hier:
00:14:28.668 — 00:14:39.131
Meine Grossmutter sagt, warte nur bis du ins Klimakterium kommst, dann hast du es nicht mehr.
00:14:33.971 — 00:14:38.844
Meine Grossmutter sagt, warte nur bis du ins Klimakterium kommst, dann hast du es nicht mehr. Das stimmte bei mir überhaupt nicht, im Gegenteil. Da hab ich es ganz besonders schlimm gehabt
00:14:39.561 — 00:14:43.001
Beim einen ist es so, beim andern so.
00:14:49.308 — 00:14:56.618
Ich sass einfach im Wohnzimmer und hab abgewartet.
00:15:09.662 — 00:15:17.688
Ich bin ganz locker mit meinen Schmerztabletten. Im medizinischen Check-up ist alles in Ordnung: Niere, Leber…
00:15:20.125 — 00:15:26.145
Wenn ich es jetzt Jahrzehnte lang so gemacht habe, dann kann ich es jetzt auch noch so weitermachen.
00:15:41.052 — 00:15:48.075
Tabea: Wie liegt die Krankheit in deinem Leben?
00:15:52.089 — 00:15:58.826
Jetzt, muss ich sagen, komme ich sehr gut damit klar.
00:15:59.829 — 00:16:01.829
Hier Handgeste am Nacken!
00:16:06.566 — 00:16:13.016
Schwierig beim Unterrichten: Im Hintergrund hat man ständig diese Migräne und trotzdem nach vorne vor 10 bis 20 Leuten steht.
00:16:09.432 — 00:16:16.312
Tabea: –> Hintergrund/Innen Krankheit, Vordergrund/Aussen Leben/Gesellschaft
00:16:29.643 — 00:16:34.373
Migräne ist eine verrückte Krankheit, wo auch fast jeder Migräneanfall anders ist.
00:16:43.116 — 00:16:49.136
Wenn Bise kommt, oder Schnee, bin ich ganz anfällig (hat mein Mann herausgefunden)
00:18:26.461 — 00:18:43.805
ist durch die Migräne “fühliger” geworden. Merkt Erdbeben voraus, hat vor dem Ausbruch von Corona auf “Instinktbasis” alles abgesagt für das kommende halbe Jahr. Kann sich nicht erklären wieso, aber ist überzeug, dass es mit einer Sinnessensibilisierung zu tun hat, wie z.B. bei Tieren auch.
00:18:54.555 — 00:18:57.845
Ich hab auch den Tod meines Vaters gespürt, obwohl dieser weit weg war.
00:19:34.315 — 00:19:55.242
Ich lebe alleine. Aber im selben Haus wohnt auch eine Tochter mit ihren Kindern.
00:20:41.109 — 00:21:06.623
Wie FÜHLT es sich an:
00:20:44.836 — 00:21:54.210
Blitze, farbige Blitze, Verschwommenheit, sehe dann nicht mehr gut. Der Kopf spielt im wahrsten Sinne des Wortes verrückt. Wahnsinnigen Hunger plötzlich, kann gar nichts trinken, oder muss ganz viel trinken. Es pocht. Eben farbige Blitze. Was ich oft auch noch habe, dieses Dauerpochen hier oben im Zentrum. Das ist ja auch das Zentrum vom ganzen Körper, geht ja dann die Wirbelsäule runter.
00:21:39.876 — 00:21:41.876
Geste: Kopfzentrum (Scheitelpunkt)
00:22:27.177 — 00:22:39.217
Wenns wirklich schlimm ist, zieh ich die Decke über den Kopf und krümme mich zusammen, um vor der Aussenwelt abgeschirmt zu sein.
00:22:34.344 — 00:22:36.344
Tabea: Embryopostion?!
00:23:21.071 — 00:23:50.311
Im Schmerz kann ich eigentlich auch gar nicht wahnsinnig viel denken. Es ist mir nicht möglich, über etwas nachzudenken. Man schaltet ab. Das Denken ist abgeschaltet. Man ist nur mit sich selbst beschäftigt: Decke drüber und ich bin “nicht mehr vorhanden”.
00:23:50.025 — 00:24:01.778
Im Moment des Schmerzes auch keine Reflexionsmöglichkeit über denselben, oder dessen Auslöser.
00:23:54.038 — 00:24:02.925
Es ist ein Abkapseln von der Welt.
00:24:06.365 — 00:24:18.405
Auch Freude interessieren einen nicht. Im Moment des Schmerzes ist einfach nichts mehr da.
00:24:45.352 — 00:24:57.106
Es gibt so viele Punkte, in immer unterschiedlicher Verbindung.
00:24:57.392 — 00:25:06.566
Man kann nicht sagen, “das ist es”, davon hängt es ab.
00:25:10.006 — 00:25:12.006
Es ist ein Ausschalten von einem selbst.
00:25:32.366 — 00:25:41.253
Man verzichtet dann auch auf etwas. Sagt, ich kann heute nicht, mir geht es nicht so gut. Das habe ich sehr selten gemacht. Auch bei meinem Mann hab ich dann immer gesagt, ja doch ich komme trotzdem mit.
00:25:49.280 — 00:25:59.600
Wenn ich so zurückdenke, ist es eine Belastung für ein Leben.
00:26:32.854 — 00:26:41.741
Den Klassiker “die Frau hat Migräne und kann deshalb nicht”, den hab ich mir ganz selten durchgehen lassen.
00:27:20.728 — 00:27:33.055
Ganzes Genderthema, Migräne = Frauenkrankheit etc. bei ihr und ihrem Mann kein Thema. Eher unschweizerisch findet sie (ihr Mann ist Schweizer)
00:28:28.382 — 00:28:45.869
Tabea: Frage nach Gesten/Körperreaktionen bevor der Schmerz eintritt
00:28:40.996 — 00:29:11.383
Hab ich ganz sicher. Sicher ist diese Geste hier so die Hände vor die Augen halten. Oder auch Hände im Nacken (massieren). Das sind ganz sicher automatische Gesten, bevor es richtig losgeht. Oder dass ich mir die Haare so irgendwie raufe.
00:29:51.803 — 00:30:02.410
Akupunktur war die Hölle. Für mich jetzt.
00:30:09.003 — 00:30:16.744
Der Schmerz kommt sehr oft aus den Schultern, oder von den Schläfen her…
00:30:22.477 — 00:30:42.544
Frustrierend (die medizinische Unterstützung). Alle haben sich wirklich Mühe gegeben, aber zum Schluss muss ich sagen, Nein, es ist etwas, was man mit sich selbst abmachen muss.
00:30:24.197 — 00:30:46.557
Tabea: Erfahrung mit der medizinischen Seite
00:33:00.432 — 00:33:14.766
Arzt: Ich kann Sie nicht heilen, aber ich kann Ihnen helfen. Das sollte meiner Meinung nach jeder Arzt sagen.
00:33:35.120 — 00:34:09.520
Tabea: Zentrum für medizinische Ethik: Oberste Grundlage: Der Arzt ist verpflichtet zu helfen, aber auf Basis von seiner Menschlichkeit. Die Kompetenz des Arztes liegt in seiner “empathischen Kompetenz” nicht in seinem pharmakologischen oder pathopsychologischen Wissensvorsprung.
00:35:21.761 — 00:35:42.115
Schlimmste Phase bisher, rückblickend: Sie zuhause mit drei kleinen Kindern. Der Mann häufig beruflich weg.
00:35:33.228 — 00:35:50.142
Es war mir dann oft einfach zu viel. Ich bin damals beruflich auch nicht ganz glücklich gewesen. Wäre gerne berufstätig gewesen, konnte dies aber aus obigen Umständen nicht genügend, hab das dann später nachgeholt.
00:35:45.841 — 00:35:53.582
Dies war eine Zeit, die mir sehr grosse Mühe gemacht hat.
00:36:00.175 — 00:36:02.175
Dies war auch die Zeit der “Sonntagsmigränen”.
00:36:36.869 — 00:36:46.329
Ich könnte beliebig viele Faktoren im Aussen nennen, aber letzen Endes kommt die Krankheit von innen.
00:37:32.770 — 00:37:34.770
Ich sage ganz klar: Es ist etwas, was mich betrifft, was mir auch Zeit meines Lebens wegnimmt. Nein, das darf‘s nicht sein. Deshalb lasse ich mir gegen Aussen nur selten anmerken, wenn ich Migräne habe
00:39:39.765 — 00:40:24.199
Tabea: Wegen Corona aus der Residenz geschmissen, aber was dafür jetzt der Vorteil ist, dass ich ein breiteres Spektrum an Leuten befrage. Von leichter Migräne bis zum Schmerzklinikpatient, der seinen Alltag nicht mehr alleine bestreiten kann. Ich sehe dadurch den chronischen Schmerz, wie er sich in verschiedenen Stadien zeigt.
00:41:02.039 — 00:41:13.506
Tabea: Schmerzen, sowie chronische Schmerzen haben “nur” die Empfindung Schmerz gemeinsam, ansonsten haben sie so unterschiedliche Konsequenzen.
00:41:39.880 — 00:41:56.793
Die Krankheit hat mich immer wieder extrem viel Kraft gekostet. Aber ich denke nicht, dass ich deswegen ein grundsätzlich anderes Leben geführt habe.
00:42:11.700 — 00:42:21.160
Das Schlimmste ist, dass dies zwei meiner Kinder auch geerbt haben. Es ist bei uns wirklich genetisch.
00:42:22.020 — 00:42:31.767
Ja, ich bin sehr viel resigniert gewesen.
00:42:34.061 — 00:42:49.254
Man geht mit Hoffnung hin, zu einem neuen Arzt, der einem empfohlen wurde und dann nach Hause mit dem Gedanken, ja war leider mal wieder nichts Neues dabei.
00:43:57.768 — 00:44:10.954
Aber das “immer mal wieder was versuchen zu müssen” bleibt und ist auch richtig. Es kann ja sein, dass auch mal was Neues hinzukommt.
00:49:28.300 — 00:50:02.700
Tabea: Transdisziplinärer Ansatz der Arbeit: Sich mit Menschen zu unterhalten über ihre Schmerzerfahrung zu unterhalten, ohne dass ich dazu eine medizinische oder wissenschaftliche Karriere nachholen müsste, sondern auf menschlicher Basis. Sich selbst als Gegenüber eines Menschen und dessen Geschichte zur Verfügung zu stellen.
00:51:20.674 — 00:52:05.682
Tabea: Meine Arbeit ist künstlerisch zu verstehen. Toll wäre, wenn ich mit meiner Vorgehensweise Perspektiven auslote oder aufzeigen kann, die Medizin so nicht anschaut, aber ein Wissen oder einen Mehrwert für sie generiert. Künstlerische Rückführung oder Umsetzung ins Installative oder Performative erst als zweiter Schritt. Erstmals möchte ich eine Plattform schaffen, welche hoffentlich zur Diskussion auf beiden Seiten anregt. Oder auf allen drei: die Künste, die Medizin und die SchmerzpatientInnen.
00:52:53.269 — 00:52:55.269
sehr spannend, also wirklich was Neues!
00:53:03.303 — 00:53:05.303
Tabea: Der Versuch wirklich was Neues zu machen, ist für mich und meine künstlerische Disziplin ungewohnt vorzugehen.
00:59:23.141 — 00:59:25.141
Es ist schon richtig und in meinem Alter habe ich dies jetzt schon länger nicht mehr getan, aber es ist gut, wieder mal über die Migräne zu reflektieren in einem Gespräch. Das war sehr spannend auch für mich.
Alan Maag
Gichtartige Fussgelenkschwellungen, keine exakte Diagnose möglich bisher.
2020-04-07, 11:33 Uhr, Homeoffice
00:00:31.489 — 00:00:51.834
Gichtartige Schmerzanfälle in Fussgelenken und Knien. Seit 25, ist jetzt 40.
00:00:56.717 — 00:01:55.717
Eine Form von wiederkehrenden Entzündungen, die sich in den Gelenken manifestieren, Knie und Füsse hauptsächlich. Erinnert sehr stark an Gichtanfälle. Analyse vom Blut und der bei einem Anfall produzierten Schwellflüssigkeit, weisen aber keinen Hinweis für die Stärke der Symptome auf, sondern höchstens eine “leichte Entzündung”, die eigentlich fast symptomlos verlaufen müsste.
00:02:07.517 — 00:02:21.758
Es kommt halt immer wieder. Habe auch das Gefühl, dass es mit dem Wetter zusammenhängen könnte.
00:02:15.655 — 00:02:29.896
Ich bin zwar jetzt 40 Jahre alt, aber normalerweise sollte ich noch ein paar Jahre mehr haben, bis die Gicht wirklich einsetzt.
00:02:28.268 — 00:02:30.268
Ich habe dadurch auch den Glauben an die meisten Ärzte verloren;
eigentlich.
00:02:44.138 — 00:02:57.565
Habe aber eine super Sportärztin und einen super Physiotherapeuten zu denen ich wie ein Vertrauen aufgebaut habe und bei denen bleibe ich jetzt.
00:02:52.275 — 00:02:59.600
Fachärzte, Spezialisten, Militärärzte, alle hatten unterschiedliche Erklärungen für die ganze Geschichte.
00:03:03.669 — 00:03:05.669
Im Verlauf der Zeit ist das Vertrauen gesunken.
00:03:31.338 — 00:03:40.696
Immer viel Skateboard gefahren; Erste starke Entzündungen traten an der Achillessehne auf.
00:04:11.213 — 00:04:13.213
Möglicher Ursprung könnte eine Überbelastung gewesen sein.
00:04:27.082 — 00:04:29.082
Das Ärztehopping war mannigfaltig.
00:04:45.799 — 00:04:47.799
Habe das erste Mal ein MRI gemacht, als nach einem Snowboardtag alles so stark anschwoll, dass ich nicht mehr gehen konnte.
00:05:00.041 — 00:05:02.041
Zitat vom ersten Arzt: “Ein totes Gewebe, was man mit einer
interessanten Operation optimieren könnte.“
00:05:15.503 — 00:05:44.392
Was rausschneiden, rauskratzen, zwei Schnitte reinmachen, runterziehen und mit Widerhäkchen rein… zwei Wochen Spital, drei Monate Krücken neuen Monate Reha… das habe ich abgelehnt!
00:06:05.958 — 00:06:07.958
Wie der Arzt aber rausgefunden hatte, dass ich nur allgemeinversichert bin und nicht privat, war die komplizierte Operation, plötzlich nicht mehr so wichtig.
00:06:34.034 — 00:06:47.868
Abwarten und Physiotherapie und Gewichtsabnahme, das hat dann geholfen für den Schmerz in der Achillessehne.
00:06:50.717 — 00:07:01.296
“Dieser Schmerz” konnte dadurch “optimiert” werden.
00:07:02.517 — 00:07:12.689
Die Entzündungen in den Füssen und Knien folgten dann aber danach.
00:07:10.248 — 00:07:12.248
Ob dies einen Zusammenhang hat, bleibt Gegenstand der Spekulation.
00:07:28.558 — 00:07:30.558
Weniger Systemanalyse und mehr Systemoptimierung
00:07:29.779 — 00:07:31.779
Tabea: Physio fragen: Analyse vs. Optimierung/Behandlung
00:08:15.758 — 00:08:17.758
Ernährungsoptimierung
00:08:25.523 — 00:08:58.075
Was mir dann aber wirklich geholfen hat, war Katzenkralle, ein lianenartiges Gewächs aus dem Amazonasgebiet.
00:09:07.027 — 00:09:32.254
Dreimonatige Kur mit Tee aus Uncaria Tomentosa, 1 Liter pro Tag, dann das Ganze wieder absetzen.
00:09:22.082 — 00:09:24.082
Das hat bei mir Wunder gewirkt.
00:10:33.696 — 00:10:42.240
Ich führe nicht Buch über die Anfälle, aber immer Ende Herbst und Anfang Frühling sind so die beiden Peaks. Den Winter durch immer wieder einfach so kleine Schübe. Im Sommer nichts.
00:10:43.461 — 00:11:13.163
Ich habe einen Monat durchgearbeitet und dann hat es eingesetzt.
00:11:16.420 — 00:11:18.420
Dieses Jahr zum ersten Mal so wirklich unaushaltbar.
00:11:29.847 — 00:11:31.847
Der Schmerz hat sich plötzlich durch die ganzen Beine verteilt.
Das war neu.
00:12:05.247 — 00:12:07.247
Stressreaktion im Zusammenhang mit schlechter Ernährung und etwas mehr Alkohol… alles typische Gichtfaktoren.
00:12:11.757 — 00:12:25.999
Blutbild: Leicht erhöhter Harnsäurespiegel; Leber ok, restliche Blutwerte auch ok.
00:12:41.868 — 00:12:43.868
Arbeite als Fotograf.
00:13:27.033 — 00:13:29.033
Sehr aktiv auch als Fotograf in der Skateboardszene.
00:13:37.206 — 00:13:39.206
Halt einfach immer viel auf den Beinen.
00:13:50.633 — 00:14:01.178
Tabea: Beschreibe was passiert/wie es abläuft.
00:13:58.364 — 00:14:49.633
Ich hab das Gefühl, ich merke es meistens beim Aufstehen das erste Mal. Bin dann nicht sicher, war der Fuss einfach an der Kälte
über Nacht, oder zwickt mich das jetzt, und könnte das wieder ein Hinweis auf einen Anfall sein. Entweder geht es dann gleich wieder weg, oder dann verstärkt sich es langsam. Das macht sich dann bemerkbar wenn Druck auf dem Gelenk ist. Das löst dann den Schmerz aus.
00:14:51.261 — 00:15:01.397
Wenn es dann aber warm wird und die erste Rötung entsteht, dann weiss ich, ok jetzt wird es schlimmer.
00:15:06.316 — 00:15:18.930
Rot, heiss und anschwellend = Schmerzen werden sehr stark werden.
00:15:24.626 — 00:15:40.088
Dann pulsiert es die ganze Nacht durch; das ist dann auch der Moment der Frustration.
00:18:00.061 — 00:18:11.047
Hanf in essbarer Version hilft auch.
00:18:13.081 — 00:18:15.081
Geste “Krämpfe“ hier: Das krampft auch, ich verändere meine ganze Haltung, die Bewegung verändert sich. Irgendwann merke ich es dann auch im Rücken und in der Schulter und es zieht auch bis in den Kopf.
00:18:28.950 — 00:19:01.502
Folgeerscheinung der Entzündung sind diese Verkrampfungen. Fast schlimmer als die eigentlichen Schmerzen, weil die Muskulatur durch Schonhaltung zurückgeht und irgendwann dann zu Beschwerden und Fehlhaltung führt.
00:19:23.474 — 00:19:39.343
Ich versuch´s irgendwie durchzudrücken, bis es einfach nicht mehr geht.
00:19:56.026 — 00:20:04.164
Es war eh Weihnachten, deshalb fiel es niemandem jobmässig auf, dass ich eine Woche im Bett lag.
00:20:24.102 — 00:20:42.005
Immer wieder nervös, dass es akut werden könnte, während eines Jobs oder einer wichtigen Arbeit. Das ist aber nie passiert. Eventuell hat das der Körper einfach dann immer “auf später” verschoben.
00:21:02.350 — 00:21:04.350
Keine Ruhephase innerhalb eines Monates.
00:21:14.964 — 00:21:26.357
Das der Anfall dann wirklich direkt nach dieser intensiven Arbeitsphase kam und dies so heftig, war wirklich auffällig
00:22:33.088 — 00:22:52.619
Leichtes Fitnessprogramm für zuhause, einmal die Woche Fussball spielen und mit dem Fahrrad von A nach B.
00:23:17.846 — 00:23:37.783
Mittlerweile siehts wieder symmetrisch aus.
00:24:40.853 — 00:24:50.619
Ich muss das Präventionstraining selber machen können.
00:24:57.129 — 00:25:10.150
Ich hab nicht das Gefühl, dass ich dauerhaft darunter leide.
Ich weiss einfach, dass der Schmerz immer wieder kommt in regelmässigen Abständen.
00:25:39.853 — 00:25:41.853
Tabea: Wie liegt der Schmerz in deinem Leben drin?
00:25:41.481 — 00:25:43.481
Wie Churchills Aussage zu seinen Depressionen: Wie ein Hund, der an der Leine ist, mal weiter weg, mal ganz nah bei ihm.
00:25:55.722 — 00:26:01.419
Zwischendurch ist der Schmerz so weit weg, dass ich ihn nicht mehr merke.
00:26:05.895 — 00:26:14.439
Es gibt auch Momente des unverhofften Glücks, wo ich intuitiv auf das Tram renne, und dann merke; “Oh wow, ich konnte rennen und ich hatte keine Schmerzen.”
00:27:27.681 — 00:27:36.632
Es ist vielleicht ähnlich wie eine Grippe: Man weiss, sie kommt immer wieder, man kennt die Symptome und weiss, da muss man jetzt halt durch und danach wird es wieder besser.
00:27:40.294 — 00:27:50.874
Ich habe eine sehr pragmatische Einstellung dazu. Allerdings immer mit der Hoffnung, dass es irgendwann mal wieder besser wird, oder auf jeden Fall nicht schlimmer.
00:28:44.177 — 00:28:53.536
Je besser es mir geht, desto mehr nehme ich in Kauf, dass der Schmerz wieder kommt, je schlechter es mir geht, je mehr wünsche ich mir eine Verbesserung.
00:29:13.067 — 00:29:15.067
Eine Dauermedikation schliesse ich aus. Zu viele Nebenwirkungen.
00:29:32.598 — 00:29:51.315
Tabea: Wie war die Dialogerfahrung mit den unterschiedlichen Ärzten?
00:30:16.136 — 00:30:32.411
Gichtzentrum setzt auf Medikation, Sportärztin unterstützt in einer möglichst medikamentenfreien Behandlung.
00:34:25.156 — 00:34:43.873
“Lehrer” folgen einer gewissen Lehre und ich habe die Erfahrung gemacht, dass es immer noch viele Ärzte gibt, denen ein disziplinübergreifendes Vorgehen völlig fremd ist. Die sind nicht schlecht deswegen, aber sie kennen es einfach nicht anders.
00:34:59.742 — 00:35:20.900
Aufgrund dieser Unterschiede bin ich sehr skeptisch gegenüber Ärzten, die entweder glauben, oder vorgeben zu wissen, was das Problem ist.
00:35:21.308 — 00:35:25.341
Ich finde, in jeder Überzeugung (Diagnose) sollte Raum für Zweifel sein, der auch offen so kommuniziert werden kann.
00:35:31.887 — 00:35:41.652
Im Idealfall findet gemeinsam mit dem Patienten ein Dialog zur Behandlungsstrategie statt, anstelle einer Bevormundung des Patienten.
00:36:05.252 — 00:36:17.052
Oftmals ist es eine Analyse des Patienten durch den Arzt und kein Dialog zwischen den beiden.
00:36:23.156 — 00:36:34.955
Ich denke, es kann nur ein Vorteil sein, wenn der Patient in den Entscheidungsprozess und nach Möglichkeit auch in den Analyseprozess mit eingebunden werden kann. –> Empowerment
00:40:21.597 — 00:40:43.976
Triemlispital gipst bis heute noch aus rätselhaften Gründen bei Bänderriss. Aus krankenkassentechnischen Gründen?
00:42:23.666 — 00:42:34.245
Man ist als Patient ja auf Hilfe angewiesen, ist also in einer bedürftigen Position und in dieser Situation ein “kompetenter” Patient zu sein, ist vielleicht schwierig.
00:43:21.038 — 00:43:23.038
Der Wunsch nach Augenhöhe mit der Ärzt*in ist da.
00:44:14.341 — 00:44:32.245
Sollte vermehrt in den Schulen schon gelehrt werden, so einfach wie höre auf deinen Körper, ernähre dich gut und Aufzeigen des Zusammenspiels zwischen physischem Körper und psychischem Befinden.
00:45:54.438 — 00:45:56.438
Tabea: Welches Bild vermittelt man denn in den Schulen? Kranker Körper = zum Arzt gehen, oder menschliches Gesamtbild?!
00:50:23.803 — 00:50:35.602
Wenn man jung und gesund ist, hat man eigentlich Verletzungen und keine Krankheiten. Und bei Verletzungen geht man zum Mechaniker.
00:51:13.851 — 00:51:15.851
Bei mir konnte die “Verletzung” aber nicht so richtig definiert werden, also ist es vielleicht eher eine Krankheit.
00:52:03.900 — 00:52:05.900
Es brauchte eine gewisse Wiederholung bei verschiedenen Ärzten, den Gedankenprozess über Patienten, Ärzte, Dialog überhaupt einleiten zu können. Hätte ich mir nur einmal die Bänder gerissen und danach wär´s wieder gut gewesen, hätte ich dieses System nie in Frage gestellt.
00:52:38.893 — 00:52:40.893
Diesen Dialog zu optimieren versucht, habe ich erst später.
Zuerst war einfach eine grosse Frustration da: Der eine sagt dies, der andere das… ja scheisse, ich vertraue euch allen nicht.
00:53:24.872 — 00:53:26.872
Das Älterwerden hilft auch. Man beginnt sich anders zu reflektieren und wird lockerer.
00:55:53.796 — 00:55:55.796
Ich lebe bewusster und mittlerweile auch gesünder, trotz Schmerzen.
00:57:38.775 — 00:58:00.340
Ganz weg geht das Bewusstsein um die Schmerzen nie. Es gibt Belastungsgrenzen, denen ich mir stets bewusst bin und vorsichtig bin.
00:58:38.996 — 00:58:40.996
Es ist keine Angst da, nur Vorsicht.
00:58:54.051 — 00:58:56.051
Wenn ich das jetzt alle zwei Wochen hätte, dann hätte ich echt ein Problem damit.
00:59:18.464 — 00:59:40.844
Dadurch, dass ich das Gefühl habe, auch selbst was machen zu können, fühle ich mich zuversichtlich. Ich bin handlungsfähig und nicht den Ärzten “ausgeliefert”.
01:01:47.388 — 01:01:49.388
Tabea: Memorized Pain Feedback:
01:01:51.051 — 01:02:14.244
Vorstellen kein Problem,… How would you rearrange it?
01:02:28.078 — 01:02:30.078
Ich habe mich nie gefragt, wie ich den Ablauf neuordnen könnte.
01:02:46.388 — 01:02:48.388
Wer kann neu anordnen? Ich selbst, oder durch andere?
01:02:54.119 — 01:02:56.119
“Anders angeordnet“, würde das bedeuten, kleine Veränderungen oder drastische Einschnitte?
01:03:08.768 — 01:03:20.975
Was könnte das Ziel einer solchen Neuanordnung sein? Ginge es möglicherweise darum, eine neue Optimierungsmöglichkeit zu entdecken?
01:03:29.519 — 01:03:38.064
Dadurch, dass ich zu verschiedenen Ärzten ging, habe ich meinen “Schmerzloop” immer wieder neu ausgelegt. Und somit immer wieder ein neues Bild von meiner Krankheit bekommen.
01:04:04.106 — 01:04:06.106
Wie kann ich mein Verhaltensmuster ändern? Das ist schwierig, ich glaube, ich wurde in diese Neuanordnung der Wiederholung gezwungen, das hat sich einfach so ergeben.
01:04:33.809 — 01:04:35.809
Wenn ich diesen Loop nun bewusst und aktiv neu arrangieren wollte, hätte ich erstmals ein grosses Fragezeichen...
01:05:21.009 — 01:05:23.009
Für mich ist es eher eine Timeline mit einem Wellenmuster, aber das Bild eines Loops hat die passende Konnotation “eines Gefangenseins”.
01:06:21.230 — 01:06:23.230
Rearrangement of a loop implies, that it will still go on forever… so no way out/keine Durchbrechung.
01:06:39.540 — 01:06:41.540
Gleichzeitig ist unser ganzes Leben ein ständiger Loop...
01:07:10.057 — 01:07:49.118
Also generell, der Kontakt mit einem philosophischen Denkmuster kann ein Leben verändern, und wer damit, auch auf einer abstrakten Ebene sein Leben soweit verändern kann, dass das Leben besser wird, hat das bestimmt auch eine Auswirkung auf die Krankheit.
01:10:33.388 — 01:11:01.487
Tabea: Hatte zwei Jahre lang voll krass Kopfschmerzen. So, dass ich eigentlich nicht mehr funktioniert habe. Jetzt ist es aber schon wieder ziemlich lange gut. Einfach so. Also es war schon auch ein ganzer Prozess, aber es wurde dann ziemlich plötzlich innerhalb von einigen Wochen wieder gut.
01:17:53.196 — 01:17:55.196
Tabea: Ich definiere mein Masterprojekt als Projektausgangslage.
Hanna Meister, Arthrose, Spinalkanalstenose
2020-04-13 18:00 Uhr, Zuhause
00:01:13.616 — 00:01:15.616
Jahrgang 1942
00:01:50.149 — 00:02:12.156
Mit ca. 40 Jahren fing es an. Arbeitete als Sozialpädagogin mit Kleinkindern. Beim Aufstehen nach Nachtschicht, schoss ein Schmerz wie ein Messer durch ihren Körper.
00:02:29.406 — 00:02:53.198
Wie ein Messer durch meinen Körper. Grauenhaft.
00:03:02.120 — 00:03:04.120
Diagnose: Diskushernie, konservative Behandlung, ohne Operation.
00:03:20.099 — 00:03:22.099
Mit ganz viel Physiotherapie etc. haben wir das irgendwie wieder “hinbekommen”.
00:03:26.055 — 00:03:28.055
Ab dem Moment, ist dies aber dann immer wieder schwierig gewesen. Ich hatte immer wieder so Attacken bekommen.
00:03:30.609 — 00:03:32.609
Der Rücken ist zur Schwachstelle geworden.
00:03:34.895 — 00:03:46.949
So habe ich dann einfach immer versucht, irgendwie damit zu leben. Im verlauf der Zeit, habe ich immer mehr herausgefunden, wie ich dies managen konnte. Bewegungen die heikel sind herausgefunden etc.
00:04:01.684 — 00:04:09.453
Es ist ein auf und ab: Manchmal sind die Schmerzen mehr, manchmal weniger.
00:04:18.561 — 00:04:26.597
Solange die Schmerzen beim Bewegen ausgelöst werden, habe ich Möglichkeiten, diese zu vermeiden, aber jetzt tut es auch weh im Ruhezustand und das ist sehr schlimm.
00:04:41.867 — 00:05:20.711
Diagnose Spinalkanalstenose mit 65 Jahren: Operation im Rücken. Davor rechtes Hüftgelenk operiert.
00:05:22.318 — 00:05:38.391
Vor der Operation habe ich einfach gelernt mit den Schmerzen zu leben, mit Sport, Physiotherapie, Massagen und Übungen für zu hause.
00:05:45.892 — 00:05:53.393
Sobald ein Schmerz anfängt, lege ich mich sofort hin, nach Möglichkeit und mache meine Entlastungsübungen.
00:06:11.609 — 00:06:24.467
Es wurde mir abgeraten die Diskushernie zu operieren.
00:06:40.809 — 00:06:51.524
Dann Hüftgelenkarthrose, Zuerst rechts, dann ist das etwas besser geworden. Aber der Rückenschmerz war immer noch da. Dann kam die linke Hüfte, die musste ich dann auch noch operieren.
00:06:58.489 — 00:07:08.258
Bis zur OP hatte ich so schlimme Schmerzen, dass ich sogar Opiate nehmen musste.
00:07:19.653 — 00:08:06.801
Zwischen zwei Hüftgelenksoperationen hatte ich dann die Spinalkanalstenosen-Operation!
00:08:20.999 — 00:08:30.910
An der Diskushernie hat er doch bei der Spinalkanalstenosen-OP auch noch etwas gemacht. Danach war´s ein bisschen besser.
00:08:35.197 — 00:08:46.180
Dann habe ich aber wieder furchtbare Rückenschmerzen bekommen und im MRI sah man, dass es an einer anderen Stelle wieder eine Spinalkanalstenose gegeben hatte. Das musste man dann halt auch noch wieder operieren.
00:08:48.323 — 00:08:50.323
Wieder ging es mir recht viel besser.
00:08:54.752 — 00:08:56.752
Dann kam der Fuss.
00:09:01.450 — 00:09:03.450
Ich... ich weiss nicht, habe einfach plötzlich immer mehr Schmerzen im rechten Fuss bekommen.
00:09:08.683 — 00:09:20.470
Nächstes MRI: Verknöcherung wegen Arthrose, welche eine Sehne am Fuss aufschlitze.
00:09:39.490 — 00:09:53.152
Spezialistin riet zur sofortigen Operation
00:10:07.350 — 00:10:33.871
Künstlicher Knochenbruch und Positionskorrektur. Grosser Zeh mit Arthrose, auch gleich operiert.
00:10:54.766 — 00:10:56.766
Reha und Rollstuhl. Es ging lange, bis ich wieder gehen konnte.
00:11:30.931 — 00:11:38.164
Wie ich wieder gehen konnte, fing der Rücken wieder an weh zu tun.
00:11:48.343 — 00:12:00.398
Es ist einfach immer wieder was. Seit ich vierzig Jahre alt bin, ist dies einfach ein Thema.
00:12:21.293 — 00:12:37.902
Ich denke, ich habe auch eine genetische Veranlagung, meine Brüder und meine Mutter hatten auch Probleme.
00:12:44.868 — 00:12:54.511
Der Umgang mit dem Schmerz:
00:12:56.119 — 00:13:06.031
Bis zu einem gewissen Grad, kann ich mit Schmerzen seit längerem recht gut umgehen.
00:13:07.102 — 00:13:14.871
Ich habe so was entwickelt, dass ich diesen Schmerz so wie von mir wegstellen kann.
00:13:15.675 — 00:13:25.586
Ich möchte mein Leben nicht von diesem Schmerz bestimmen lassen. Das ist sehr stark bei mir.
00:13:33.087 — 00:13:42.195
Ich bin ein sehr aktiver Mensch, habe gerne Menschen um mich herum und gehe gerne laufen: Ich will NICHT dass mich dieser Schmerz bestimmt.
00:13:49.964 — 00:14:04.698
Aber wenn die Schmerzen sehr stark sind, dann geht das halt nicht mehr. Das ist dann schwierig, aber ich hatte immer wieder die Hoffnung, dass mir die Medizin wieder ein Stück weit helfen kann und das war dann auch immer so.
00:14:11.663 — 00:14:20.235
Mit der Hilfe von guten Ärzten und Fachpersonen, wurde es immer wieder ein bisschen besser.
00:14:29.343 — 00:14:31.343
Hatte immer sehr gute Erfahrung mit der medizinischen Hilfe.
00:14:37.648 — 00:14:39.648
Es gab immer Ideen, medizinische Angebote und Hilfe.
00:14:46.220 — 00:14:53.185
Wenn ich dann operieren sollte, war ich immer auch einverstanden und innerlich positiv eingestellt.
00:14:55.329 — 00:15:07.651
Seit ich pensioniert bin, wurde ich an beiden Hüftgelenken operiert, zweimal im Rücken und am Fuss, d.h. fünf Operationen gehabt! Aber alle erfolgreich.
00:16:35.786 — 00:16:37.786
Heute habe ich mal kein Schmerzmittel genommen. Dachte, ich versuch es mal ohne. Aber es geht nicht gut. Beim gehen geht’s gar nicht.
00:16:49.448 — 00:16:51.448
Tabea: Beschreiben wie sich das anfühlt?
00:16:54.538 — 00:17:11.951
Es ist in der Lendengegend. Das sieht man es auch auf dem MRI.
00:17:15.701 — 00:17:26.953
Es ist so ein Gefühlt, als würde es nicht halten. Als würde ich auseinanderbrechen. Ich habe das Gefühl, ich zerbreche.
00:17:28.292 — 00:18:16.512
Mental weiss ich dann ja schon, dass das nicht stimmt, aber das Gefühl, ist wie zerbrechen. Und dann gehe ich vielleicht noch
200 m und dann sind die Schmerzen so gross, dass ich nicht mehr gehen kann und mich hinsetzen muss.
00:18:17.851 — 00:18:32.317
Dann setze ich mich hin, atme, entspanne mich, bis ich merke, dass es wieder geht und dann kann ich wieder ein wenig weitergehen.
00:19:18.929 — 00:19:31.520
Die Muskeln verkrampfen sich und lösen Schmerz aus. Es ist eine Art Teufelskreis.
00:19:35.271 — 00:19:59.113
Jetzt habe ich seit einigen Tagen was Neues, respektive, das hatte ich früher schon mal. Von den Lenden abwärts strahlt ein Schmerz ins Bein. Aber nur beim Gehen. Treppensteigen geht dann nicht mehr richtig.
00:20:06.346 — 00:20:14.382
Das ist jetzt doof, jetzt müssen wir dann da wieder schauen, was man machen kann.
00:20:25.098 — 00:20:31.795
Ich habe eine sehr tolle Hausärztin.
00:20:41.171 — 00:20:46.118
Wahrscheinlich Cortison-Infiltration beim Spezialisten.
00:20:54.833 — 00:21:06.084
Also, ich weiss ja, dass meine chronischen Schmerzen nichts lebensgefährliches sind. Es ist nicht bedrohlich in diesem Sinne, aber es tangiert natürlich die Lebensqualität.
00:21:10.103 — 00:21:25.372
Ich muss mich einfach mit dem Thema rumschlage, aber es ist noch interessant, es ist nicht so, dass ich jetzt sagen würde, es verleidet mir das Leben.
00:21:26.712 — 00:21:47.339
Ich habe sehr viel Freude am Leben und ich möchte mich von den Schmerzen nicht bestimmen lassen. Und das gelingt mir auch meistens, ausser wenn es gerade eine sehr schlimme Phase ist. Aber dann versuche ich es, so gelassen wie möglich zu nehmen und sage mir: “Jetzt ist es halt wieder so, jetzt muss ich schauen, was man machen kann.”
00:21:48.946 — 00:21:56.447
Ich habe wie angenommen, dass die Schmerzen halt zu mir gehören, dass meine Knochen halt ein bisschen problematisch sind.
00:22:14.396 — 00:22:45.470
Der Gedanke der Vererbung/Erbanlage hat mir auch geholfen: Ich habe mir dann halt gesagt, ja das ist jetzt bei uns halt einfach so. Meine Brüder hatten eine ähnlichen Umgang damit wie ich.
00:22:53.775 — 00:23:06.366
Man hat schon miteinander darüber gesprochen, aber nicht gejammert. Es wurde aber nie zum dominierenden Gesprächsthema.
00:23:26.725 — 00:23:41.995
Unsere Herangehensweise war stets eine sehr pragmatische.
00:24:04.229 — 00:24:14.141
Tabea: Wie war der Prozess der Akzeptanz der Schmerzen?
00:24:18.159 — 00:24:39.589
Also am Anfang, wie ich die erste Attacke im Rücken hatte, da hatte ich Angst: Was wäre wenn ich nicht mehr arbeiten könnte… Aber der damals behandelnde Arzt konnte mich beruhigen.
00:24:57.003 — 00:25:44.150
Damals hatten sie noch ein Streckbett, das war super. Heute gibts dies nicht mehr, weil die Krankenkasse die Behandlung damit nicht mehr deckt. Es wäre zu aufwendig und teuer. Eigentlich ja komisch, operieren ist doch viel teurer.
00:27:07.732 — 00:27:16.840
Das macht natürlich sehr viel aus, wenn man eine Diagnose hat und weiss, was es ist.
00:27:59.970 — 00:28:15.775
Hin und wieder kommen mir schon Gedanken, wie das wohl noch rauskommt.. jetzt bin ich 79, und wie ist das denn mit dieser schlechten Knochenveranlagung, wenn ich noch älter werde...
00:28:20.865 — 00:28:50.065
Aber dann denke ich: “jänu, dann laufe ich halt nicht mehr so viel in der Gegend herum, dann bin ich halt mehr zuhause. Ich schreibe sehr gerne und schreiben kann man auch so.. und ein bisschen in der Wohnung rumlaufen kann man auch noch länger und mit mehr Einschränkungen.
00:28:56.226 — 00:29:08.817
Ich denke, dass ich damit schon abfinden könnte, denke aber dann auch, dass man mit so was dann vielleicht besser nicht zu alt werden sollte.
00:29:10.424 — 00:29:12.424
Der Tod ist keine angstvoller Gedanke
00:29:21.408 — 00:29:42.034
Ich habe einen sehr guten Freundinnenkreis, wo wir oft über das Altwerden sprechen und da gehören halt Defizite und Schmerzen dazu. Ich kenne fast niemanden in meinem Alter, der oder die gar keine Schmerzen hat.
00:29:42.571 — 00:30:15.789
Dann sprechen wir auch offen über das Sterben. Ich finde das sehr wichtig. Gerade mit der aktuellen Krise ist das Thema noch wichtiger.
00:30:46.328 — 00:31:34.815
Ich habe eine Patientenverfügung geschrieben, selbst, in der ich sage, dass ich im Falle einer Ansteckung nicht künstlich beatmet werden möchte.
Dann habe ich aber so ein offizielles Zusatzblatt bekommen, welches viel differenzierter ist. Da sind Fragen wie lebst du gerne – 1 – 10... der Wahnsinn. Da kann ich doch nicht mit PUNKTEN drauf antworten?!!
00:31:36.155 — 00:32:12.052
Oder an was liegt es, dass Sie gerne leben...?! Da dachte ich die spinnen, für mich ein Glas Rotwein, meine Enkel und meine Kinder und so weiter, da gibt es unglaublich viel.
Und dieses Formular ist auch noch von irgendeiner Ethikkommission.
00:33:46.348 — 00:34:26.799
Schmerzen haben dann schon auch mit der Entscheidung zu tun, dass man sagt, Nein, eigentlich möchte ich nicht so lange leben, dass ich nur noch Schmerzen habe. Aber nicht in einer depressiven Haltung. Es ist einfach eine Entscheidung und es tut sehr gut, mit andern im selben Alter darüber sprechen zu können.
00:34:47.426 — 00:34:49.426
Tabea: Eigentlich wäre es gut, sich in jedem Moment, unabhängig vom Alter, Gedanken über den Tod zu machen.
00:35:15.554 — 00:35:21.448
Ich erlebe dies in meinem Bekanntenkreis wirklich als anders. Wir sprechen offen über solche Dinge.
00:35:21.716 — 00:36:59.495
Ich leite eine Literaturgruppe mit 17 Frauen. Da haben wir auch schon Sachen gelesen, welche mit Tod und Sterben zu tun haben. Zwei Frauen weit über achtzig berichten, dass sie sich schon bewusst sind, dass sie möglicherweise nicht mehr so lange leben, aber sie würden dies einfach versuchen so anzunehmen, ohne ständig darüber zu grübeln, sonder mit möglichst viel Gelassenheit zu denken: “Wenns kommt, dann kommts”.
00:37:16.104 — 00:37:28.962
Ich denke, dies ist grundsätzlich wichtig; dass man lernt, eine gewisse Gelassenheit zu entwickeln über Dinge, die man selbst nicht wirklich beeinflussen kann.
00:37:35.124 — 00:37:42.089
Tabea: Denkst du, dass du durch deine Schmerzerfahrung früher angefangen hast, über solche Dinge zu reflektieren?
00:37:44.500 — 00:38:28.433
Ja wahrscheinlich schon. Aber dadurch dass meine Eltern mich sehr spät bekommen haben, war ich durchschnittlich früher mit dem Tod beschäftigt als andere.
00:38:57.632 — 00:39:19.868
Ich war nicht geplant... bin noch “hineingeschneit” als meine Mutter 42 Jahre alt war. Damals war dies sehr aussergewöhnlich und meine Mutter hat sich geschämt, nochmals schwanger geworden zu sein. Das sind dann auch zeitgeschichtliche Unterschiede zu heute.
00:41:54.706 — 00:42:00.189
Tabea: Frage nach Gesten/unbewussten körperlichem Ausdruck auch ohne Schmerzen:
00:42:02.207 — 00:42:50.963
Ja, ganz bestimmt. Mein Partner sagt, ich würde oft, wenn ich irgendwo stehe, sofort beim Stehenbleiben die Hände in die Hüften stützen, um diese zu “halten”. Dies mache ich offenbar ganz unwillkürlich.
00:42:52.838 — 00:43:03.285
Auf spontanen Fotos habe ich auch schon bemerkt, dass ich oft genau in dieser Pose stehe.
00:43:14.537 — 00:43:23.109
Dies ist, glaube ich, die “typischste Körperhaltung” dieser chronischen Geschichte.
00:44:03.828 — 00:44:29.545
Ich gehöre jetzt nicht zu jenen, die eine esoterische Antwort zu ihren Schmerzen suchen. Für mich ist dies ein rein physisches Problem. Ich kann mir gut vorstellen, dass dies hilft und für andere wichtig ist, aber ich habe kein Bedürfnis danach.
00:44:30.617 — 00:45:25.533
Ich sehe den Schmerz nicht als Symbol, oder Sinnbild für etwas anderes, der ist einfach. Der gehört zu mir und ich sehe dies sehr pragmatisch. Eine Zeit lang ging ich ins Shiatsu, das hat jetzt nicht die Situation total verändert, aber es hat mir einfach gut getan. Ich habe auch lang Qi Gong gemacht, das war auch sehr gut. Leider ist die Lehrerin krank geworden und den Kurs gibt es nicht mehr. Dafür gehen wir jetzt ins Rheumaliga-Arthrose-Turnen. Das ist auch sehr gut. Weil es ist einfach wichtig, dass man trotzdem beweglich bleibt.
00:45:32.766 — 00:45:42.946
Das Schlimmste ist, wenn man gar nichts mehr tut. Das möchte ich auf keinen Fall.
00:46:18.575 — 00:46:38.667
Aber ich versuche es nicht zu interpretieren, was für Botschaften jetzt da von meinem Körper gesendet werden oder so.
00:46:39.470 — 00:46:51.792
Tabea: Ich denke, dies ist auch einer der grossen Unterschiede von Menschen mit chronischen Schmerzen, die eine Ursache/Diagnose haben im Vergleich zu all jenen, wo man keine “sichtbare” Ursache finden kann.
00:47:51.532 — 00:48:00.908
Tabea: Ich habe bereits mit sehr unterschiedlichen Jahrgängen gesprochen und es ist sehr spannend, wie die Sichtweise auf “wie die Schmerzerfahrung im Leben liegt” je nach Alter sehr unterschiedlich ist.
00:49:24.757 — 00:50:18.602
Tabea: Ich habe mein Projekt zu chronischen Schmerzen so angelegt, dass ich dies nicht mit meinem Masterabschluss beenden möchte, sondern eine erste Station in einer längerfristigen Untersuchung.
00:50:34.675 — 00:50:53.159
Tabea: Ich habe schon lange ein starkes Interesse an der Schnittstelle von Mensch - Gesellschaft, und wie individuelle Einbettungen in eine solche sind. Im Falle von so einschneidenden und verändernden Situationen wie bei chronischen Schmerzen ist es möglich, auf verschiedene Lebenskonstruktionen in einer Art “konzentrierten” Form zu schauen. Das fasziniert mich sehr.
00:51:37.629 — 00:52:00.935
Aber weisst du, einen wichtigen Aspekt haben wir noch nicht besprochen. Das ist die Situation der Mitmenschen. Das finde ich noch sehr wichtig. Wie die anderen auf meine Schmerzen reagieren. Der Partner, die Kinder und auch im Freundeskreis.
00:52:13.793 — 00:52:15.793
Eine ganz grosse Herausforderung ist es natürlich für die Partnerschaft.
00:52:24.509 — 00:53:03.085
Also, ich habe immer, wenn ich in eine ganz schlimme Schmerzphase reinkomme, eine Art Schuldgefühl. Ich bin ja dann auch ein Hindernis in dem Moment. Zum Beispiel heute, da gehe ich mit meinem Partner laufen und dann merke ich, dass es nicht mehr geht und sage, dass ich, glaube ich, nach Hause muss. Das heisst für ihn, dass er sich entscheiden muss, ob er jetzt alleine weiter geht, oder mit mir zurück kommt. Und dann denke ich, er würde dies jetzt so gerne mit mir machen, aber ich kann nicht. Das sind so die Momente, wo man “wegen mir” etwas nicht machen kann. Natürlich, wenn man in einer guten Partnerschaft lebt, kann man darüber sprechen, aber das Gefühl von Schuld ist trotzdem da.
00:53:06.031 — 00:53:37.374
Auch bei meinen Enkelinnen, die dann sagen: “komm spiel mit uns auf dem Boden”. Und dann muss ich immer sagen, nein das kann ich nicht gut, ich brauche einen Stuhl, sonst kann ich kaum mehr aufstehen. Dann muss ich diesen Kleinen das erklären... das gehört halt dann auch dazu.
00:53:39.517 — 00:55:00.955
Im Freundeskreis gibt es die unterschiedlichsten Reaktionen. Jene, die man fast abwehren muss, weil sie einem fast Überbetreuen wollen. Das nervt mich dann manchmal schon, und ich sage dann, nein danke, dass kann ich schon noch selbst, wenn ich Hilfe brauche, melde ich mich gerne. Dann jene, die dauernd Ratschläge geben, das finde ich auch sehr unangenehm. Die fragen, wie es mir geht und dann gleich hinterher: “Ja du solltest doch besser dies oder das,…”. Und wenn man dann ablehnt, sind sie fast beleidigt und denken, sie will sich ja gar nicht helfen lassen. Dann sind da natürlich auch noch jene, die andocken, weil sie selbst auch Schmerzpatienten sind und damit denken, ah super, da kann ich jetzt ausführlich und ausschliesslich über dieses Thema sprechen. Da habe ich dann natürlich auch nicht immer Lust dazu.
00:55:30.958 — 00:55:32.958
Tabea: Was würdest du denn den besten Umgang mit dem Thema für dich finden?
00:55:45.960 — 00:56:07.927
Also wenn es mir gerade sehr gut geht, finde ich es unnötig jetzt darüber zu sprechen. Wenn ich starke Schmerzen habe, dann merke ich, wenn jemand fragt, wie es mir geht, dann sage ich auch, “im Moment nicht so gut, aber ich kümmere mich darum.” Und dann bin ich froh, wenn die Leute dies auch so akzeptieren.
00:56:16.231 — 00:56:47.574
Ausgiebig darüber sprechen, tue ich grundsätzlich nicht so gerne. Dann bin ich aber froh, dass ich ein paar gute Freundinnen habe, zu denen ich ein grosses Vertrauen habe, wo ich von mir aus kommen kann, wenn ich Hilfe brauche.
00:56:51.057 — 00:57:05.255
Ich mag es nicht, wenn einem von aussen etwas “vorgefertigtes” übergestülpt wird, was ich in dem Moment gar nicht so möchte.
00:57:10.612 — 00:57:40.348
Bei meinen erwachsenen Kindern, da habe ich immer das Gefühl, die sind total froh, dass ich das so selbstständig managen kann. Sie fragen nach, dann sage ich, wie es gerade ist und das akzeptieren sie dann auch sehr gut so. Sie sagen dann auch einfach, wenn ich was bräuchte, sollte ich es einfach sagen. Aber ich merke sehr, dass sie froh sind, dass ich einfach so bin, wie ich bin und nicht einfach so die ganze Zeit herum jammere.
00:58:16.513 — 00:58:32.318
Es ist schon sehr spannend, wie unterschiedlich die Reaktionen sind.
01:00:01.257 — 01:00:22.687
Die Schuldgefühle die ich habe, sind eher eine Art von Gefühl des “Versagens” aufgrund der körperlichen Verfassung, wofür man aber nichts kann.
Anonym, Migräne
2020-04-23 10:35 Uhr, Homeoffice
00:03:02.527 — 00:03:29.654
Wenn ich über das spreche, ist es für mich am einfachsten dies über Gegenfragen zu tun. Weil ich habe das Gefühl, wenn man chronische Schmerzen hat, das ist… irgendwie man lebt damit. Und ich habe diese Schmerzen schon seit ich ein Kind bin, ich habe zu sprechen begonnen praktisch mit den Worten: “Aua Kopf”… Und damit hat dann eigentlich auch die Suche angefangen. Ich bin jetzt 33 und es hat bis jetzt kein Ende.
00:03:34.642 — 00:03:43.839
Das ist halt einfach so mit meiner chronischen Migräne, einerseits hoffe ich, man kann es irgendwann lösen und andererseits lebe ich schon so lange damit, dass ich irgendwie zu leben gelernt habe damit.
00:03:45.536 — 00:03:50.592
Es schneidet halt in viele Bereiche schon sehr stark ein, und manchmal kann man das besser akzeptieren und manchmal schlechter.
00:03:51.412 — 00:03:53.412
Welche Bereiche tangiert dies?
00:03:58.546 — 00:04:35.897
Man kann schlecht einfach einige Bereiche herauspicken. Einerseits ist man sicher sozial eingeschränkt. Andererseits auch beruflich, auch die Lebensfreude erfährt eine Einschränkung. Das ist bedrückend, aber irgendwo ist es halt dann auch so, dass Menschen mit solchen Einschränkungen durchwegs positiver eingestellt sind, als andere, weil ich das Gefühl hab, wenn man jetzt da selbst dran verzweifelt, was bleibt einem dann noch?
00:05:19.126 — 00:05:56.059
Als Kind realisiert man die Ausmasse von Migräne noch nicht so wirklich, der Kopf tut halt weh… in der Pubertät wurde es dann schlimmer, man merkt, die anderen gehen jedes Wochenende weg, oder sind immer gut drauf und voller Energie und man kann IMMER was machen; und selbst kann man das überhaupt nicht.
00:05:57.738 — 00:06:31.732
Mir geht es halt einfach oft wirklich nicht gut. Ich merkte dann halt einfach im Teenageralter, wo alle nur so von Lebensfreude sprühen, und selbst ist man dann immer die, die sagt; Ich kann leider nicht, weil mir der Kopf weh tut. Irgendwann werden die Leute, auch wenn es Freunde sind, die reagieren dann halt so und sagen; “hey bei dir ist ja eh nie gut”. Dann merkt man halt, es ist einfach keine Akzeptanz für so was da, und wünscht sich halt sehnlichst die Schmerzen hätten endlich mal ein Ende.
00:06:32.992 — 00:06:49.779
Als Jugendliche habe ich das schon recht in Angriff genommen, auch mit meinen Eltern. Wir wollten eine Lösung finden und waren dadurch auch in vielen Krankenhäusern und Spezialkliniken. Aber es kam immer auf das Selbe raus; dass es halt chronische Migräne ist mit Aura, und da kann man halt leider nichts machen.
00:06:51.038 — 00:07:09.923
Das ist halt auch das deprimierende, dass man einerseits weiss, es gibt Medikamente, aber die wirklich starken soll man halt nur in Ausnahmefällen nehmen. Damit versucht man dann selbst einzuschätzen, wann es “wirklich schlimm” ist, und man davon nimmt.
00:07:10.763 — 00:07:20.836
Dann ist man halt auch in einer Phase, wo man sagt, man keine Lust weiter zu Suchen, weil es scheint, als gäbe es eh keine Lösung.
00:07:24.193 — 00:07:41.401
Es sind halt immer so Phasen zwischen Akzeptanz, Resignation und verzweifelter Suche nach Besserung.
00:07:43.919 — 00:08:15.395
Klinikreise: Uniklinik Innsbruck, Neurologie Linz, Neurologie Wien, Hirslanden Zürich, Uniklinik Zürich…
00:08:15.395 — 00:08:43.095
Man sucht ja dann oft auch nicht nur im medizinischen Bereich. Es gibt ja dann auch beispielsweise Akupunktur, Chiropraktik… es gbt ja ganz viel. Aber ich habe so das Gefühl, egal in welche Richtung ich meine Fühler ausstrecke, am Schluss bin ich doch deprimiert und denke mir; “Es ist doch wieder da”.
00:08:59.882 — 00:09:08.696
Am Anfang ist es schon so, dass man mal primär abklären will, ob es ein Tumor ist, oder ein Gendefekt, oder…
00:09:10.375 — 00:09:25.621
Aber wie man dann merkte, dass es viel irrationaler ist, sucht man dann, ob es mit der Ernährung zusammenhängen kann, oder irgendwelche Umwelteinflüsse,…
00:09:26.299 — 00:09:39.860
Danach über dies hinaus, geht man dann weitere Schritte, eben Akupunktur, Heilmassagen, Homöopathie auch, habe aber gemerkt, bringt mir alles auch nichts.
00:09:41.555 — 00:09:57.489
Handauflegen habe ich noch nicht ausprobiert.. (schmunzelt) klar, könnte ich schon machen, aber innerlich würde ich jetzt nicht dran glauben...
00:10:04.270 — 00:10:17.153
Der Leidende ist das beste Opfer… wenn man wirklich solche Schmerzen hat, probiert man grundsätzlich irgendwann alles aus.
00:10:29.357 — 00:10:31.357
Man macht das Beste draus, aber man merkt halt einfach,…
00:10:36.138 — 00:10:48.343
Über die Jahre kann man sich das so antrainieren im Gesicht, dass andere es dann vielleicht gar nicht so merken, aber irgendwann schmerzt es dann so strak, dass man dann doch nach Hause gehen muss.
00:12:00.216 — 00:12:02.216
Wie hast du es in den Griff bekommen?
00:12:08.352 — 00:13:36.498
Tabea: Das ist die Antwort, die ich so nicht geben kann leider... ich glaube, diese Antwort ist genau so Vielschichtig, wie die Krankheit an sich... zum ersten Mal nachgelassen hat es, als ich in einem Krisengebiet von allem Andern abgeschottet war. Vielleicht war es so eine andere Umgebung, dass der Schmerz aus dem Konzept gekommen ist... Ich glaube, bei mir ist es vor allen Dingen ein Überlastungsventil…
00:13:45.312 — 00:14:01.247
Ja, man muss dann auch manchmal selbst über sich lachen, wenn man gut drauf ist, und dann jemand kommt und fragt, ob man dies und dies mache würde; dann denke ich, naja, jeder wie er es handhaben möchte, aber ich nein klar nicht... aber, wenn es einem dann schlecht geht, dann ist man sofort bereit, viel offener zu denken.
00:15:46.004 — 00:15:57.870
Bei mir ist es eigentlich so, dass wenn ich viel arbeite, dann kommt es häufiger, aber kommen tut es ohnehin.
00:15:59.904 — 00:16:01.904
Also es ist schon so, dass wenn ich eine Woche keine Migräne hatte, dann bekomme ich ein Gefühl, dass es jetzt “überfällig” ist...
00:16:07.702 — 00:16:16.177
Ca. alle zehn Tage für zwei bis drei Tage.
00:16:16.516 — 00:16:49.741
Druck in Kopf und wenn ich gehe habe ich das Gefühl, jeder Stoss, jeder Schritt macht mir wie so ein Stich. Ich habe dann immer entweder auf der linken Seite, oder auf der rechten Seite, dass das Auge so zieht und zugehörig dann auch die linke oder rechte Rückenseite. In so einem Zustand, wenn dann beispielsweise die rechte Schulter weh tut, dann darf ich nur auf der rechten Seite liegen, weil wenn ich die oben hätte, dann würd die Schulter so nach unten ziehen und das tut dann nochmals mehr weh.
00:16:53.808 — 00:16:55.808
Ich lege mich immer auf die Seite, wo es weh tut.
00:17:00.250 — 00:17:24.321
Irgendwann steigert sich das dann so sehr, dass dann die Augen nicht nur ziehen, sondern es ist dann so ein Gefühl, als würde sich etwas ins Auge bohren. Und dann hinten, beim Nacken, wo so der Kopf “angemacht” ist, dort fühlt es sich auch an, als würde sich etwas reinbohren. Und man hat immer so das Gefühl, es drückt einem den Schädel zusammen.
00:17:18.184 — 00:17:18.184
Tabea: Geste: Kopfzusammendrücken
00:17:31.440 — 00:17:44.323
Habe oft geglaubt, ich hätte eine Entzündung im Kiefer, aber wenn ich dann beim Zahnarzt war, war alles “super”..
00:17:47.035 — 00:17:56.528
Wenns dann richtig schlimm ist, dann kann ich nicht mehr kauen und koche mir dann halt einfach Suppen und muss wirklich dann auch im Dunkeln liegen.
00:17:58.562 — 00:18:00.562
Licht schmerzt mehr als Geräusche.
00:18:06.021 — 00:18:19.791
Am Anfang habe ich halt so gefunden, dass sind dann halt einfach Tage, die sind so verloren: man liegt alleine rum, trifft niemanden, lernt nichts…
00:18:20.084 — 00:18:39.145
Mittlerweile habe ich Podcasts und Audiovorträge entdeckt. Nun liege ich jeweils im Dunkeln so ein zwei Tage und höre mir dann immer alles an, was mich gerade so interessiert und wenns zuviel ist, dreh ich´s halt wieder ab...
00:19:03.191 — 00:19:21.666
Die Leute haben total verlernt, sich an so was zu freuen, wie dass sie einfach gesund sind und das es gut geht und dass man ja darüber hinaus nicht viel mehr braucht.
00:21:42.718 — 00:21:53.275
So wie heute, dass ich mir denke, ich spüre gar kein Schmerz, das kommt wenig vor...
00:22:22.306 — 00:22:55.736
Es ist halt einfach schade, weil gewisse Sachen, die kann man nicht einfach auf den jetzigen (gerade schmerzfreien) Moment verschieben. Zum Beispiel Geburtstagsfeiern sind was ganz schwieriges; klar, man würd gerne Leute einladen und gut und lustig drauf sein, aber ich habe dies; ist für mich seit meiner Jugend eher wie eine Plage. Weil, es ist natürlich schon so, wenn ich ein bisschen unter Druck oder Stress bin, krieg ich´s eher, und ich habe selten einen Geburtstag ohne Migräne feiern dürfen.
00:23:00.428 — 00:23:15.970
Klar, die guten Freunde kennen einem ja, aber man möchte halt dann einfach auch wirklich gut drauf sein, und ich bin halt dann leider meistens diejenige, die sich als erstes von ihrer eigenen Feier verabschiedet.
00:23:30.339 — 00:23:55.265
Klar, irgendwann ist der Freundeskreis halt auch mal eingeschränkt, was aber auch gut ist, weil diejenigen, die mich dann so kennen, da würd jetzt keiner mehr sagen, wie in der Schulzeit; “Ach, die hat ja ein Knall, der geht es eh nie gut, die hat immer was, die will doch nur im Mittelpunkt stehen.”
00:23:56.732 — 00:24:04.649
Man lernt ein ziemliches Durchhaltevermögen auch, bis man dann wirklich das Handtuch wirft und sagt, ja jetzt muss ich leider gehen.
00:24:14.033 — 00:25:00.953
Ich bin jetzt selbstständig, aber die Zeit, wo ich angestellt gearbeitet habe, war eine der Schwierigsten. Das ist ja ein sehr stressbelasteter Job und man ist gezwungen, nach dem Zeitplan der Firma zu arbeiten. Es gibt keinen Rhythmus, nur Dauerleistung. Man ist immer in einem Team und kann so auch nie unauffällig mal kurz weg und durchatmen. Da ist es mir echt schwer gefallen, weil ich konnte ja nicht jeden zweiten Tag sagen; “Ich verschiebe das, oder ich mache das später, weil es mir gerade nicht gut geht.”
Aber jetzt wo ich selbstständig bin, mache ich ja meine Sachen auch, arbeite sogar mehr und halte die Abgabetermine ein, aber ich kann in meinem Rhythmus arbeiten und Pause machen, wenn ich eine brauche.
00:25:21.773 — 00:25:37.022
In der Anstellung musste ich dann halt meine Stunden einhalten und war gezwungen, vor dem Computer sitzen zu bleiben, auch wenn es grad gar nicht so dringend gewesen wäre, und ich auch am nächsten Tag weiterarbeiten gekonnt hätte. Aber das ist so, vertraglich bist du dort, also musst du auch dasein.
00:26:09.279 — 00:26:22.475
Ich finde, wenn du ein “schemagerechter” Mensch bist, dann hast du kein Problem.
00:26:23.648 — 00:26:31.273
Jetzt im Lockdown denke ich gibt es viele Menschen, die mit der Heimarbeit nur schwer klar kommen, weil ihnen der vorgegebene Takt fehlt.
00:26:32.446 — 00:26:40.364
Wie mache ich das? Jetzt muss ich am morgen aufstehen und mir selbst einen Rhythmus legen. Das ist jetzt für viele bestimmt schwierig.
00:26:42.416 — 00:26:58.252
Aber ich glaube, als Mensch ist man doch gar nicht so, dass man unbedingt den Zug eines übergeordneten Schema braucht, sondern eigentlich, ich merke auch, dass manche gerade sagen, jetzt wo sie zuhause sind, viel leistungsfähiger sind.
00:27:02.944 — 00:27:17.313
Ich bin jetzt halt so ein Mensch, der körperlich nicht so ganz problemfrei ist, und ich merke dass dieses System für mich nicht funktionieren kann.
00:27:21.418 — 00:27:36.080
Wenn man dann nicht, so wie ich, seine Nische findet, wo man so arbeiten kann, wie man selbst fähig ist, dann zwingt einem das dann oft in die Arbeitslosigkeit oder Invalidität, oder einen erzwungenen Berufswechsel mit sich bringt.
00:28:08.044 — 00:28:30.624
Klar, so lange am Computer sitzen, ist nicht förderlich, aber wenn ich mir dann denke, dass ich besser Gärtner geworden wäre, um viel draussen zu sein... Die letzten Wochen mit viel Sonnenschein, hatte ich furchtbar Migräne… Aber selbst wenn ich mir gesagt hätte, ok, dann werde ich halt Nachtschicht-Taxifahrerin, aber im Dunkeln, ist mir dann das Gegenlicht der anderen Augen so schmerzhaft,… ich wüsste wirklich nicht, welchen Beruf man mit einer solchen Migräne einfach ausüben könnte.
00:28:46.167 — 00:28:56.723
Oft ist es halt etwas russisches Roulette, ob der Kopf dann mitmacht oder nicht und wenn er nicht mitmacht, muss ich trotzdem irgendwie durch.
00:29:04.348 — 00:29:06.348
Geste: Linkehandnacken
00:29:21.943 — 00:29:36.605
Ich finde immer so eine App zum Aufzeichnen schwierig, weil wenn es mir gerade gut geht, dann will ich nicht unbedingt darüber nachdenken und wenn es ganz schlimm ist, dann ist jeder Klick auf dem Handy eine Qual.
00:29:43.643 — 00:29:50.094
Manchmal kriegt man so ein anderes Zeitgefühl, wenn es einem nicht gut geht.
00:30:08.862 — 00:30:10.862
Betablocker, Triptane
00:30:17.953 — 00:30:19.953
Aspirin hilft mir nichts mehr.
00:30:43.172 — 00:30:45.172
Geste: Rechterarmimnacken
00:31:05.459 — 00:31:10.444
Wenns kommt, dann kommts…
00:31:20.415 — 00:31:37.716
Triptane vom Krankenhaus aufgespart, für “wenns wirklich nötig wird, gönn ich sie mir”… Dann hatte ich einen wirklich schlimmen Anfall, habe sie genommen und gemerkt, die nützen mir gar nichts!
00:32:16.425 — 00:32:18.425
Aber hast du denn zum Beispiel Ernährung und so was umgestellt, als es bei dir schlimm war?
00:32:21.117 — 00:32:55.720
Tabea: Ich habe auf alles versucht, acht zu geben um herauszufinden, an was es liegen könnte, und es wurde nur schlimmer und schlimmer,… das hat sich so kumuliert, mit selbst gemachten Einschränkungen, dass ich irgendwann einfach aufgehört habe, auf irgendwas zu achten und wenn ich dann Kopfschmerzen bekommen habe, bin ich halt nach Hause, oder habe im Moment mit Schmerzmitteln reagiert.
00:33:15.074 — 00:33:17.074
Und hast du jetzt das Gefühl, du kannst wieder voll spontan alles machen, ohne Angst zu haben es könnte einen Anfall auslösen?
00:33:19.473 — 00:33:39.414
Tabea: Ja absolut... Nur wenn ich zu viel Stress habe, dann bekomme ich zwar keinen Migräneanfall, aber die Erinnerung daran ist sofort da und funktioniert wie eine Art “Warnsignal”, auf das ich dann so umgehend wie möglich reagiere.
00:36:41.813 — 00:36:43.813
Tabea: Wo würdest du dich zwischen “Suchen” und “(Ab)finden” positionieren?
00:36:50.024 — 00:36:59.115
Ich bin ein durchwegs positiver Mensch, aber ich habe schon irgendwie resigniert, was die Migräne anbelangt. Also ich glaube, ich akzeptiere es, aber bin nicht mehr ganz aktiv am suchen.
00:37:05.860 — 00:37:07.860
Geste: Rechterarmankopf
00:37:33.425 — 00:37:43.982
Wenn ich Tage habe, wie heute, an denen es mir sehr gut geht, dann weiss ich, ich hätte jetzt die Kraft die Sache nochmals anzugehen, aber dann denke ich, damit ist dieser Tag schon wieder diesem Thema gewidmet, und ich bin es einfach leid, mich meine ganze Lebenszeit mit diesem Thema rumzuschlagen.
00:37:48.380 — 00:38:00.989
Deswegen habe ich es jetzt einfach so akzeptiert, dass es ist so wie es ist, umgebe mich mit Freunden, die mich so akzeptieren, wie ich bin und widme mich der Arbeit in einer Form, die zulässt, dass ich so sein kann, wie ich mich fühle.
00:38:04.216 — 00:38:27.676
Das hat mir sehr viel gebracht; somit muss ich mich nicht mehr verstellen. Dies etwas was mich jahrelang begleitet und gekränkt hat, dass einem Leute vorwerfen, dass man “wehleidig” ist, oder sie denken, man simuliert.
00:38:29.142 — 00:38:42.924
Seit ich eigentlich so sein darf, wie ich bin, habe ich gemerkt, dass ich auch einen leichteren Umgang mit den Schmerzen habe und nicht mehr so auf die Suche oder das Finden angewiesen bin.
00:39:23.099 — 00:39:25.099
Medizinische Erfahrung
00:39:42.454 — 00:40:04.447
Eigentlich waren es mehr die “Landärzte”, die vor allen Dingen einfach netter im Umgang waren, sich Zeit für ein Gespräch genommen haben. Aber in den Krankenhäusern (auch in den kleineren), hatte ich immer das Gefühl, die Reden jetzt halt einfach ihr Fachjargon-Statement, und wenn man nachfragt, ist man der dumme Tölpel, der es jetzt noch immer nicht verstanden hat.
00:40:07.673 — 00:40:09.673
Geste: Linkehandanrechternackenseite
00:40:17.643 — 00:40:58.111
Ich hab auch noch eine chronische Immunkrankheit der Schilddrüse. Für mich bisher einfach so unlogisch, weil ich mir denke, ich bin doch eine Person, es ist ein Organismus und alles spielt doch zusammen.
Die Ärzte sagen aber einerseits, es hängt nicht zusammen. Das führt dann dazu, dass man für die Migräne zur Neurologie muss und für die Schilddrüse zur Radiologie. Gut, dann habe ich die zwei Berichte und dann muss ich als Laie mir ein “Gesamtbild” über mich machen..?
00:41:00.164 — 00:41:20.105
Ich habe bis heute noch keinen Arzt gefunden, der mir sagt: “Sie kommen als Person und nicht als unterschiedliche Krankheiten.“ Sie bringen alles mit, was Sie haben und er/sie führt mit Ärzten aus andern Disziplinen Gespräche und dann kann mir jemand erklären, wie es zusammenhängt.
00:41:22.158 — 00:41:37.113
Bis heute habe ich Fragen wie, woher kommt eigentlich so chronischer Schmerz, warum trifft es mich,…?
00:41:42.392 — 00:41:55.587
Je mehr ich mich zum Thema einlese, desto mehr bekomme ich die Antwort, dass es ja so individuell ist, dass einem ja dann keiner auf die eigene Lage auch wirklich eine Antwort geben kann. Und die Zeit dazu nimmt sich heute auch keiner mehr.
00:41:57.347 — 00:42:24.033
Ich habe so das Gefühl, so wie das auch im Arbeitsleben ist, du hast jetzt dieses Schema, wenn du das machst, gehörst du hier rein, wenn du das machst, dann da, so ist es auch, wenn du krank bist: Wenn du Kopfschmerzen hast, dann gehst du in die Neurologie, da wirst du in die Röhre geschickt, du hast kein Tumor, alles gesund, hast halt Kopfschmerzen, … Auf Wiedersehen.
00:44:23.091 — 00:44:38.047
Ich will einmal aus dem Krankenhaus rausgehen und verstehen was ich habe, woher es kommt und wissen, was ich machen kann.
00:44:40.979 — 00:44:49.190
Es ist ja kein Vorwurf, dass sie es einfach nicht besser wissen, man findet einfach nichts!
00:47:06.136 — 00:48:34.403
Das was mich am allermeisten an unserem System ärgert, ist die Krankenversicherung in der Schweiz. Du musst bei den Zusatzversicherungen angeben, was du hast und dann wirst du halt überall abgewiesen. Damit hat man keine Zugang zu einfachen Linderungsmitteln wie Massage oder Akupunktur, was fatale Folgen, auf wie man gerade im Alltag und somit auch im “System” funktionieren kann, hat. Man wird einfach abgesägt.
De facto hat man bei einer Bestätigung das etwas “chronisch” ist, ja keine Aussicht auf Verbesserung und somit auch kein Anrecht mehr auf erweiterte Behandlungsmöglichkeiten.
00:48:51.705 — 00:49:01.089
Da habe ich dann schon gefunden, hart hart hart, wenn man einfach nicht systemgerecht ist.
00:50:28.477 — 00:50:30.477
Also, ich wurde abgelehnt und bin jetzt eh gestrichen für Zusatzversicherungen und auf der Schwarzen Liste.
00:51:00.148 — 00:51:32.111
Tabea: Das ist halt dann so eine traurige Erkenntnis, die Privatisierung der Krankenkassen verlangt somit, dass man lügt, wenn man jemals wieder Zugang zu Leistung haben möchte.
00:51:32.111 — 00:51:50.879
Die Gesellschaft ebenfalls. Ich kann nicht in einer Abgabephase sagen, oh ich fange heute erst um zehn an, weil mir würde diese zwei Stunden später den ganzen Tag retten, sondern ich muss um acht Uhr abliefern, egal wie es mir geht.
00:51:50.879 — 00:52:16.685
So tragisch, das jetzt mit Corona ist, aber ich hoffe einfach, dass dies jetzt vielleicht eine gewisse Flexibilität in das ganze Arbeitswesen bringt, dass Leute auch merken, man kann Leistung bringen und zwar nicht nur, wenn man so wie ein Huhn auf der Stange sitzt und im Takt Eier legt.
00:53:51.111 — 00:53:53.111
Geste: Rechtehandannacken
00:54:39.497 — 00:55:02.370
Oft, wenn es halt noch nichts gibt, wo man reinpasst, dann ist es vielleicht eine super Nische, weil ich merk halt, es gibt offensichtliche Menschen wie mich und dich, und ich glaub halt einfach denen, denen es gut geht, da will man über solche Themen wie chronischer Schmerz nicht reden. Man hat dann eher das Gefühl, man ist eine Belastung. Die Leute hören nicht gerne, dass es einem nicht gut geht.
00:55:03.250 — 00:55:28.762
Es tut einfach gut, mit Gleichgesinnten darüber zu reden, aber auch mit Leuten, die einfach mal die Komplexität verstehen können und zu wissen, dass man nicht einfach so eine Nummer im Krankenhaus ist, sondern halt dieses Gesamtheitliche mit einbezieht.
00:55:34.920 — 00:55:36.920
Geste: Rechtehandamnacken
00:55:53.102 — 00:56:06.884
Klar, ich wäre mega froh, wenn ich die Migräne endlich los wäre, aber es ist schon so, dass das, sich einfach an kleinen Dingen erfreuen, etwas ist, was ich mir beibehalten habe und viele in der heutigen Zeit nicht mehr können.
00:56:10.403 — 00:56:19.493
Die Messlatte der Akzeptanz in der heutigen Gesellschaft ist bei einem “Dauergutgehen und -funktionieren” angebracht.
00:58:38.200 — 00:59:02.832
Tabea: Der Unterschied von der Empfindung Schmerz zur Krankheit chronischer Schmerz ist für mich vor allen Dingen der Parameter der Zeit und des Wiederauftretens, sowie die Art und Weise, wie sich das “in Schmerzen befinden” der Betroffenen in deren und im Leben ihres Umfeldes drinliegt.
01:00:24.355 — 01:00:55.146
Ich finde es super, dass du dich dem Thema annimmst. Ich finde es erstaunlich, aber es gibt sehr selten Menschen, ausserhalb des Medizinischen Bereiches, die sich so einem Thema annehemen würden. Deswegen hat es mich positiv überrascht, als ich von deinem Gesprächsaufruf hörte.
Maria Müller-Schweizer, Migräne, Skoliose
2020-05-01 10:03 Uhr, Schloss Glarisegg
00:01:03.044 — 00:01:05.044
Migräne und Skoliose
00:02:10.425 — 00:02:25.900
Unwohlsein schon sehr früh als Kind. Hatte Acetonerbrechen. Mit neuen Jahren nach Spitalaufenthalt, war es nicht mehr nur Erbrechen, sondern Migräne
00:02:40.075 — 00:02:42.075
Seit ich neun Jahre alt bin, habe ich einmal pro Woche Migräne.
00:03:28.591 — 00:03:44.067
Die Lebensqualität hat sich sprunghaft verbessert, seit es Triptane gibt. Vorher musste ich einfach durch, wenn es losging. So ein Anfall hat manchmal drei Tage gedauert. Jetzt mit Triptane muss ich mich nicht mehr immer zurückziehen, sobald es losgeht
00:04:14.411 — 00:04:16.411
Mit den Triptanen wird jede Bewegung anstrengend, das System fährt herunter. Aber es ist nichts im Vergleich zu einem Migräneanfall
00:05:13.707 — 00:05:15.707
Bei einem Migräneanfall sind die Schmerzen so stark, da hat nichts mehr anderes Platz. Ich muss in den Rückzug. So stark, dass ich fast ohnmächtig werde. Dann kommt die totale Übelkeit und Brechreiz. Das tue ich mir aber nur noch selten an. Ich nehme immer gleich Medikamente, wenn es geht.
00:06:15.699 — 00:06:17.699
Der Rhythmus ist unregelmässig, lässt sich schlecht planen.
00:08:11.597 — 00:08:13.597
Normalerweise wache ich am morgen auf und merke schon; da ist was.
00:08:33.159 — 00:08:35.159
Empfindlich auf Wetterdruck
00:09:29.761 — 00:09:31.761
Ich hatte als Kind auch eine so starke Skoliose (Wirbelsäulenverkrümmung) dass ich Tag und Nacht ein Korsett tragen musste; für fünf Jahre lang.
00:11:17.573 — 00:11:19.573
Die Schmerzen hatte ich dann eigentlich nicht wegen der Skoliose, sondern wegen dem Korsett, dies hat furchtbar gescheuert. Jeder Schritt tat furchtbar weh.
00:12:16.869 — 00:12:57.299
Das war furchtbar als Jugendliche, halt auch mit sehr viel Scham verbunden. Damals war die Rückengeschichte viel schmerzhafter und problematischer, als die Migräne.
00:13:05.385 — 00:13:07.385
Das Korsett trug ich ja immer und war ständig Thema und die Migräne kam ich ja “nur” einmal die Woche.
00:13:36.159 — 00:13:38.159
Ich wurde Waldorfkindergärtnerin. Dies war sehr schwierig mit meiner physischen Konstitution, aber irgendwie ist es gegangen.
00:14:03.595 — 00:14:09.106
Bis es Triptane gab, waren auch meine beruflichen Möglichkeiten sehr eingeschränkt. Damals haben sie aber überall dringend Kindergärtnerinnen gesucht.
00:14:29.072 — 00:14:31.072
Ich hätte wahrscheinlich 100% IV beantragen können, aber das wollte ich nicht. Ich wollte ein normales Leben führen, so gut es ging.
00:17:10.223 — 00:17:12.223
Oft musste ich dann halt einfach nach Hause, bevor es Triptane gab. Mit 25 kleinen Kindern um sich herum war es unmöglich, mit dem Schmerz und der Übelkeit der Migräne klarzukommen.
00:17:44.452 — 00:17:46.452
Später weitere Ausbildungen in Sexologie und Traumatherapie. Arbeitet als Traumatherapeutin.
00:25:43.633 — 00:25:45.633
Tabea: Kannst du was zum Thema der Repetition, der Wiederholung sagen? Was sind deine Wiederholungen im Schmerz?
00:26:06.451 — 00:26:56.365
Einiges, aber vor allen Dingen der Moment der Verzweiflung. So der Kampf gegen den Anfall und irgendwann lässt man dann los und sagt sich, ok, jetzt ist es halt wieder soweit. Wenn ich dann kann, dann lege ich mich hin, nehme ich ein Triptan und gebe mich einfach in den Schmerz hinein.
00:27:04.922 — 00:27:06.922
In der Regel kämpfe ich weniger lang mittlerweile und akzeptiereschneller.
00:27:37.723 — 00:27:39.723
Aber es ist auch sehr unterschiedlich, es gibt auch Momente wie gestern, wo ich bei den ersten Anzeichen ein Coca-Cola mit Zitrone trinken kann und es hilft und reicht aus.
00:28:24.295 — 00:28:26.295
Ich hoffte fest, dass sich die Migräne mit den Wechseljahren bessern würde, aber leider war es nicht so.
00:28:39.746 — 00:29:09.456
Aber ich lebe ein so spannendes Leben, dass es sich trotzdem im Gleichgewicht hält. Ich hatte schon immer sehr starke Visionen und viele davon konnte ich auch verwirklichen. Und wenn jetzt die Migräne bei mir eine Voraussetzung wäre, um diese starken Visionen zu haben, dann würde ich wieder die Migräne wählen.
00:29:47.301 — 00:29:49.301
Ich habe mir als Kind schon immer gesagt, und ich komme aus einer Arbeiterfamilie, eines Tages werde ich in einem Schloss mit Bootshaus am Wasser wohnen. Und das tue ich jetzt tatsächlich!
00:31:21.154 — 00:31:40.076
Das sich so was verwirklichen konnte, auch noch mit einer Gemeinschaft und in der Schweiz, das ist sehr aussergewöhnlich und gibt mir so viel Kraft für weiter Visionen.
00:32:45.925 — 00:32:47.925
Tabea: Wieso denkst du, dass diese Visionen mit deiner Migräne in Verbindung stehen?
00:32:56.521 — 00:33:33.609
Ich weiss es auch nicht so genau, aber ich denke, bei so grossen Visionen ist man eine Art ausserhalb von sich selbst und Migräne ist ja für mich auch “weit oben”. Man ist wie nicht so “verkörpert” wie andere Leute und damit fällt es mir leichter, meine Visionen hoch oben “zu pflücken”.
00:33:43.449 — 00:33:45.449
Auf jeden Fall sehe ich in den Visionen meinen Ausgleich zu den Migräneanfällen.
00:36:50.399 — 00:36:52.399
Die Angst ist schon immer noch ein ständiger Begleiter, aber eher im Sinne, dass ich mich auf einen Anlass freue und dann halt so Rückenschmerzen oder Migräne habe, dass ich nicht hingehen kann. Und dann kommt dann halt in so einem Moment auch Frustration dazu.
00:37:10.835 — 00:37:11.591
Aber Angst vor dem Tod habe ich eh nicht, weil dann habe ich ja keine Migräne mehr! Da bin ich eher sehr neugierig drauf.
00:38:03.817 — 00:38:20.469
Einladungen zu machen ist auch etwas schwierig, weil man dann ja nicht wissen kann, wie es einem dann geht an dem Tag. Das ist dann schon eine Einschränkung und die Angst in dem Sinne auch ein Begleiter. Aber jetzt bin ich ja schon 59, das heisst es geht ja dann doch immer irgendwie.
00:39:10.423 — 00:39:26.318
Diese beiden gegensätzlichen sehr extremen Erfahrungen der Migräne und den Visionen helfen mir auch als Therapeutin. Das Kennen von starken Gegensätzen. Not zum einen, aber auch das Wissen, es geht dann auch wieder vorbei.
00:40:30.653 — 00:40:32.653
Tabea: Wie war deine Erfahrung mit der medizinischen Unterstützung?
00:40:47.304 — 00:41:03.956
Ich habe vieles Ausprobiert und merkte aber, dass ich meinen eigenen Umgang mit den Schmerzen finden musste. Das Korsett war definitiv keine gute Idee der Ärzte.
00:41:31.203 — 00:42:02.993
Als Kind wird man von den Ärzten nicht ernst genommen. Da ist natürlich ein grosser Wandel passiert, seit ich Kind war. Auch durch die Informationsmöglichkeit im Internet. Man ist viel selbstständiger heute.
00:43:35.819 — 00:44:07.878
Der Umgang mit dem Umfeld und der Umgang des Umfeldes mit einem im Bezug auf die Schmerzen ist sehr komplex. Das Umfeld kennt einem ja dann über die Jahre, aber Zeuge sein zu müssen, wie jemand solche Schmerzen erleidet, das ist sehr schwierig.
00:44:19.989 — 00:44:38.154
Ich hätte es im Rücken auch mit einer 18stündigen Operation versuchen können, damit der Schmerz danach vielleicht weg ist. Aber Garantien gibt es keine und die Risiken sind sehr hoch. Nochmehr Schmerzen zu haben, als ich jetzt schon habe, kann ich nicht mehr aushalten. Deshalb habe ich bis jetzt davon abgesehen.
00:44:51.778 — 00:44:53.778
Es geht mir jetzt besser, ich habe drastische berufliche Massnahmen ergriffen und kann jetzt halt meinen Beruf nicht mehr so ausführen, wie ich dies gern würde.
00:45:15.998 — 00:45:35.677
Mein Mann hat auch Migräne und manchmal liegen wir tatsächlich gemeinsam deswegen im Bett. Beide hatten auch Mütter mit Migräne.
00:53:31.001 — 00:54:09.602
Ich habe schon das Gefühl, dass die Migräne mit generationenübergreifenden Traumata zu tun hat und mit einem Nervensystem zu tun hat das sehr “vibrierend” ist, d.h. schlecht wirklich herunterfahren kann.
00:54:16.414 — 00:54:34.580
Es ist ja immer erstaunlich, dass man soviel nicht weiss, obwohl viel zu Migräne geforscht wird, aber so vieles ist nicht bekannt und zu Komplex.
00:54:46.690 — 00:54:48.690
In einer kürzlich absolvierten Traumaausbildung habe ich erfahren, dass Migräne, sowie Skoliose scheinbar mit sehr frühen Traumata zu tun haben soll.
00:55:13.938 — 00:55:35.130
Wenn man ein Nervensystem, als ob man gleichzeitig auf die Bremse und aufs Gas drückt, vererbt bekommt, ist es sehr schwierig daraus eines zu Entwickeln, welches entweder auf die Bremse oder aufs Gas tritt.
00:57:50.613 — 00:58:09.535
Ich denke, dass Migräne sehr stark gesellschaftlich geprägt ist. Es würde mich wunder nehmen, ob es möglich ist, in einem der letzten noch verbliebenen Urwaldstämmen Migräne zu entwickeln.
Julia Kaufmann, MSc Psychologie, Fachpsychologin für Psychotherapie FSP
2020-04-16 11:17 Uhr, Homeoffice
00:06:58.142 — 00:08:04.585
Corona und Homeoffice: Möglichst trotzdem die “normale” Tagesstruktur aufrechterhalten, das haben wir uns als Team so vorgenommen. Wir machen dann um 10 Uhr beispielsweise gemeinsam Kaffeepause. Ich versuche sogar die ursprüngliche Zeit, die ich normal im Zug verbringe jetzt zuhause zum meditieren zu nutzen, um möglichst die gewohnten Zeiten weiterhin einzuhalten. Dann arbeite ich von zuhause aus zu regulären Zeiten und am Abend mache ich noch Sport draussen.
00:08:13.646 — 00:09:29.150
Inhaltlich arbeite ich Berichte und Texte auf mit dem Team besprechen wir neue Konzepte und arbeiten uns in neue Themen ein. Dann schreibe an einem Buchkapitel und betreibe Forschung zum Thema chronische Bauchschmerzen. Den Patienten, die weiterhin Betreuung benötigen, biete ich Telefontermine an.
00:09:59.352 — 00:10:10.412
Der direkte Austausch fehlt aber sehr.
00:13:30.763 — 00:15:25.529
Ich denke die psychologische Betreuung von chronischen Schmerzpatient*innen hängt sehr stark vom Leidensdruck ab. Wenn dieser gross ist und die Bewältigungsstrategien der Betroffenen nicht gut genug greifen und es keine direkte medizinische Massnahme zur Schmerzlinderung gibt, dann kommt die psychologische Betreuung dazu. Jeder Schmerz hat ja immer auch eine psychologische Komponente nach der Auffassung des biopsychosozialen Modells. Ein Schmerz ist eine unangenehme Erfahrung und somit immer sehr nahe an unseren Gefühlen und Stimmungslage.
00:15:58.751 — 00:16:00.751
Der Umgang mit Schmerzen hängt immer von unserer Gefühls und Stimmungslage ab, in der wir uns gerade, aber auch grundsätzlich befinden. Wenn wir zufrieden und gelöst sind, können wir mit Schmerzen anders umgehen, als wenn wir schon gestresst und unglücklich sind.
00:18:29.760 — 00:18:31.760
Man muss grundsätzlich sehr vorsichtig sein mit “unikausalen” Erklärungsmodellen bei chronischen Schmerzen, da das Zusammenspiel von den unterschiedlichen Faktoren auf der biologischen, der psychologischen und der sozialen Ebene sehr individuell und oft auch komplex ist.
00:19:10.918 — 00:20:00.514
Emotionen bilden sich immer auch im Körper ab. Dann ist auch unser Verhalten wichtig. Wenn ich Angst vor einer Bewegung habe, weil sie Schmerzen auslösen kann oder ich Angst vor einer physischen Schädigung habe und die Bewegung fortan vermeide, bilden sich die Muskulatur und Beweglichkeit zurück und die Schmerzen werden langfristig schlimmer und können auch zusätzliche Beschwerden auslösen. Das ist dann eine indirekte Schmerzbegünstigung durch den Versuch, ebendiesen zu vermeiden.
00:22:12.553 — 00:22:27.756
Es ist immer sehr individuell, was eine Person an psychologischer Hilfe zur Schmerzbewältigung braucht und das Ziel ist es grundsätzlich aus der Fülle an Erklärungsmodellen und Strategien das herauszuziehen, was jetzt gerade individuell am Besten zu der Situation passt.
00:22:44.619 — 00:22:46.619
Oft ist es schon so, dass wenn man sich mit den eigenen Emotionen auseinandersetzt, das mit der biografischen Lebensgeschichte zusammenhängt, weil wir ja unsere Art und Weise mit Dingen umzugehen in der Vergangenheit gelernt haben und in diesem Zusammenhang ist es dann beispielsweise auch sinnvoll hinzuschauen, warum und wo habe ich gelernt auf die eine Art mit etwas umzugehen. Dann verschafft einem der Rückblick in die Vergangenheit zu Klarheit über aktuelles Tun.
00:23:19.310 — 00:23:21.310
Zurückschauen um zu sehen, was man gelernt hat und dann im Jetzt sehen, was brauche ich aber heute für eine Strategie, um mir selbst zu helfen, beispielsweise meine eigenen Grenzen zu respektieren, oder mich als wertvoll zu erachten, oder mit meinen Ängsten einen Umgang zu finden, etc.
00:23:51.562 — 00:23:53.562
Wenn es um lebensgeschichtliche Inhalte geht, dann immer im Zusammenhang mit Dingen, die für die aktuelle Situation relevant sind. Welche Muster sind für mich jetzt nicht mehr hilfreich, die ich in der Vergangenheit gelernt habe und aber im Jetzt immer noch ausgelöst werden.
00:24:41.001 — 00:24:43.001
Es ist ein Schauen nach individuellen Ressourcen im Jetzt zur Bewältigung von in der Vergangenheit gelernten Mustern.
00:25:49.057 — 00:25:51.057
Traumatherapie: Woher kommt dieses Gefühl der Bedrohung und wie kann ich dem Körper und dem Nervensystem bewusst machen, dass ich aber eigentlich in Sicherheit bin und somit eine Ebene finden kann, auf der ich die Gefühle anschauen und verarbeiten kann und nicht versuchen muss sie zu vermeiden oder wegmachen zu wollen. Es geht dabei auch um Zulassen.
00:26:23.086 — 00:27:03.920
Vier Wirkungsfaktoren mit denen man in der psychologischen Betreuung versucht umzugehen: Bewältigungsorientierung, Klärungsorientierung, emotionale Orientierung und die eigenen Ressourcen im Jetzt.
00:27:39.650 — 00:27:41.650
Man kann sehr situationsspezifisch auf Verhaltensmuster schauen, aber fast immer führt es einen trotzdem zum Lebensgeschichtlichen und die eigene Geschichte wird auch benötigt, um zu verstehen, wozu der Körper und die Psyche sich bestimmte Mechanismen angewöhnt haben.
00:29:43.853 — 00:29:45.853
Äussere Faktoren: Familie, Gesellschaft, finanzielle Situation, politische Situation…
00:30:17.882 — 00:30:23.284
Was ein sehr gesellschaftlich geprägter Faktor ist: Das ständige Suchen, nach einer körperlichen, medizinischen Ursache. Dabei ist es schon lange klar, dass sich alle unsere Emotionen auch körperlich abspielen und immer im Zusammenhang stehen. Trotzdem ist es für so viele Patienten immer noch das Wichtigste, einen physischen, körperlichen Grund zu finden, welcher die Schmerzen erklärt. Die psychologische Ebene als Erklärung für die Schmerzen wird schnell als stigmatisierend empfunden.
00:30:50.208 — 00:30:52.208
Diese Haltung ist sehr stark gesellschaftlich und kulturell geprägt. Ebenso die Art und Weise, wie über Schmerzen gesprochen wird und werden darf.
00:32:05.071 — 00:33:06.322
Wir haben alle vom Gesundheitssystem obligatorischerweise einen Hausarzt für körperliche Gesundheitsprobleme, aber eine “Hauspsychologin” als Ansprechperson ist Privatsache.
00:34:26.289 — 00:35:07.123
Die Verbindung von Hirn und Körper. Es gibt immer mehr Forschung zum Zusammenhang von beispielsweise Stress und Immunsystem. Das ganze vegetative Nervensystem führt bewiesenermassen zu Reaktionen im Körper. Mittlerweile werden ganze Bücher zu Psychoimmunologie geschrieben.
00:35:10.526 — 00:35:12.526
Schliesslich ist ja das Hirn mit allem in Verbindung und im Austausch.
00:36:25.388 — 00:36:27.388
Wichtig ist, dass man sich als Therapieteam ein gemeinsames und ganzheitliches Verständnis zur Schmerzsituation eines Patienten erarbeitet.
00:37:11.326 — 00:38:12.578
Die erste medizinische Anlaufstelle ist eigentlich die wichtigste, um zu vermeiden, dass sich Schmerzen chronifizieren. Die Ärzte in einer Hausärztepraxis müssen keine Schmerzspezialisten sein, aber ein ganz klares Verständnis von der Komplexität, Multidimensionalität und des interdisziplinären Therapievorgehens von länger anhaltenden Schmerzen haben. Die erstversorgenden Praxen müssten dieses Wissen zwingend “im Haus” haben, damit Patienten möglichst rasch an die richtigen Fachstellen überwiesen werden und so Patienten-Odysseen vermieden werden können.
00:38:27.890 — 00:39:56.991
Man könnte vielen Menschen viel früher und besser helfen, wenn von Anfang an interdisziplinär gedacht und gearbeitet würde. Schmerzleidende suchen ja erstmals sehr stark nach einer einfachen Erklärung für die Schmerzen und wenn dann ein Arzt nur einseitig mechanisch denkt, in der Wirbelsäule beispielsweise eine kleine Auffälligkeit findet, die dann als diagnostizierte Ursache “wegoperiert” wird, ohne wirklich die Schmerzen zu lösen, oder längerfristig sogar noch stärkere zu verursachen.
00:41:26.602 — 00:42:15.303
Akzeptanz und Angstbewältigung sind mitunter die wichtigsten Bereiche der psychologischen Teils im Umgang mit chronischen Schmerzen.
00:48:17.642 — 00:49:37.513
In der Haltung gegenüber den Patienten ist sehr wichtig für mich, immer eine offene Einstellung zu haben und mir bewusst zu sein, dass meine Einschätzungen auf Hypothesen beruhen und die Realität in der sich die Schmerzleidenden befinden, um vieles komplexer ist, als man zu sehen vermag. Deswegen ist es auch wichtig diese Hypothesen immer wieder kritisch zu überdenken und neu einzuschätzen und nicht einfach den offensichtlichsten Faktor zu nehmen und nur da dran zu bleiben.
00:51:59.721 — 00:53:23.488
Die Selbstwahrnehmung und der Umgang mit sich selbst ist oft auch ein grosses Thema. Viele müssen neu lernen sich selbst einzuschätzen, die Umgangsformen mit sich und die eigenen Bedürfnisse klären. Sowohl im privaten wie auch im Arbeitsumfeld.
00:55:47.644 — 00:56:55.825
Ein weiterer wichtiger Weg finde ich auch speziell kritischen
Patienten die Möglichkeit zu schaffen zu erfahren und fühlen, was für innere Veränderungen passieren können und sie nicht einfach gesagt bekommen, dass alles zusammenhängt und deswegen die psychologische Komponente für chronische Schmerzen auch sehr wichtig ist.
00:58:27.385 — 00:58:29.385
Systemische Therapie: Wenn an einem Ort gezogen wird, bewegt sich alles andere mit.
00:59:14.139 — 00:59:16.139
Schliesslich ist ja jede Person auch in sich selbst ein “System”.
00:59:49.204 — 00:59:51.204
Tabea: Das “System” Mensch. Die Systeme im Menschen. Innere Systeme, äussere Systeme. Alles ist verbunden.
01:00:32.061 — 01:00:34.061
Genau, deshalb ist der Fokus auf diese “Wechselwirkungen” unter den verschiedenen Systemen auch so wichtig und oft sehr aufschlussreich.
01:01:14.919 — 01:01:16.919
Deswegen kann es auch sein, dass wenn man an einem Teil eines Systems zieht, erstmals viele neue Sachen in Bewegung geraten und diese eventuell erstmal eine Verschlechterung mit sich bringen, auf längere Sicht sich aber etwas grundsätzlich geändert hat, was schliesslich zu einer Erhöhung der Lebensqualität führt oder zumindest neue Einsicht gewährt, wie Dinge zusammenhängen.
01:02:13.360 — 01:02:19.205
Tabea: Ich kann mit Bildern am besten denken, da meine künstlerische Praxis grundsätzlich eine visuelle ist.
01:02:38.684 — 01:03:21.542
Durch die Zusammenarbeit mit verschiedenen Berufsgruppen entstehen im Dialog auch immer wieder neue Denkweisen und Ansichten, was für mich die interdisziplinäre Zusammenarbeit zusätzlich wertvoll macht.
01:05:45.699 — 01:05:47.699
Memorized Pain-Website: Bei mir löst das im ersten Moment Interesse und Neugierde aus. Spannend ist auch das Spiel zwischen den einzelnen Bildern, die aber insgesamt ein Ganzes ergeben.
01:10:04.791 — 01:10:06.791
Im Schmerz kommen ganz viele existentielle Themen des Menschen und des Menschseins zusammen: Verletzlichkeit, eigene Grenzen, soziale Strukturen, innere und äussere Umgänge damit, ja es ist wirklich das ganze Menschsein, was sich speziell im Chronischen Schmerz zeigt.
Barbara Jost-Sutter, gelernte Pflegefachfrau HF
2020-04-17 11:00 Uhr, Zuhause
00:01:48.158 — 00:01:50.158
Tabea: Ich habe so die Vorstellung, dass ihr in der Pflege am meisten von der Lebensgeschichte der Patientinnen und Patienten mitbekommt?
00:03:00.311 — 00:04:22.367
Wir sind ein relativ kleines Team, aus sechs diplomierten Pflegern und Pflegerinnen und zwei Pflegeassistenten. Unsere Kernaufgabe
ist es einerseits für die Ärzte alles vorzubereiten und
dann auch aktiv zu assistieren beim Röntgen, bei Eingriffen etc. Dann ist aber unsere Hauptaufgabe die Betreuung der Patienten. Nebst der pflegerischen Betreuung auch durch Gespräche, beruhigen und erklären.
00:05:54.327 — 00:06:31.111
Wir funktionieren oft auch als Übersetzungsinstanz zwischen Ärzten und den Patienten. Wir erklären Dinge gerne mehrmals, auch oft in einfachen Worten und je nach Patient auch auf «Buuredütsch», damit sie sich möglichst wohl fühlen.
00:06:38.185 — 00:06:40.185
Das Herausfinden und Erspüren was die Patienten gerade am dringendsten brauchen um sich ruhig und sicher zu fühlen, ist sicher eine der grössten Herausforderungen für uns in der Pflege.
00:08:14.389 — 00:09:27.956
Bei langjährigen Patienten erleben wir ihre Fortschritte oder je nach Alter auch Rückschritte mit und begleiten so oft ihre Lebensgeschichte über viele Jahre. Da lebt man auch immer ein Stück weit mit. Manche begleiten wir auch bis zu ihrem Tod. Für einige sind wir auch ein Fixpunkt, eine Anlaufstelle, wo sie wissen, dass sie jederzeit wieder kommen können, wenn sie Hilfe brauchen. Über die Jahre bauen sie auch ein grosses Vertrauen zu uns auf.
00:10:44.354 — 00:10:46.354
Es gibt aber auch Patienten, die wollen möglichst wenig Kontakt und lieber nur schnell vorbeikommen, ihre Spritzen oder Medikamente bekommen und sofort wieder gehen und möglichst nie wieder kommen müssen. Aber dann halten die Schmerzen halt trotzdem an und es geht nicht so schnell, wie sie sich das vorgestellt haben.
00:11:14.064 — 00:11:16.064
Wichtig ist, dass sowohl die Patienten, die ein hohes Kommunikationsbedürfnis haben, als auch die eher zurückhaltenden Platz finden und wir uns auf sie einlassen können.
00:12:17.728 — 00:12:19.728
Tabea: Ihr seht indem Sinne auch aus nächster Nähe, wie unterschiedlich die Patienten und Patientinnen mit ihrem Schmerz umgehen?
00:13:10.075 — 00:13:56.762
Die meisten Patienten kommen aber am Anfang erstmals mit der Einstellung: Ich habe chronische Schmerzen, es tut mir irgendwo etwas weh, ich gehe jetzt zum Arzt und dieser macht mir die Schmerzen weg. Bei manchen funktioniert das sogar und dann hat ihnen diese Einstellung ja auch was gebracht. Wenn es dann aber nicht so ist, dann ist es eben die grosse Aufgabe und Verantwortung von uns allen in der Schmerzklinik, diesen Menschen zu vermitteln, dass es eben nur mit ihrer aktiven Mithilfe besser werden kann. Sprich, sie selbst das meiste zur Besserung beitragen müssen und wir sie in erster Linie als Fachpersonal auf diesem Weg mit all unseren Möglichkeiten und unserer Erfahrung begleiten.
00:13:58.177 — 00:14:00.177
Das ist mitunter die grosse Aufgabe; den Patienten zu erklären, dass chronische Schmerzen oftmals nicht einfach mit einer Spritze oder ein paar Tabletten zu heilen sind, sondern dass es immer auch die aktive Mithilfe von ihnen selbst braucht und die Bereitschaft in ihrem Leben Dinge zu verändern.
00:15:17.403 — 00:15:19.403
Vielen kommen und sagen beispielsweise: Mir tut die Schulter weh und ich habe ein Problem in der Schulter und nicht im Kopf.
00:15:48.528 — 00:15:50.528
Das Zusammenspiel von Kopf/Geist/Gehirn und Körper ist für viele nicht so klar.
00:20:54.117 — 00:20:56.117
Viele kommen natürlich bereits mit einer dicken Akte zu uns und haben schon eine lange und erfolglose Therapiereise hinter sich. Da ist es dann umso wichtiger gut zuzuhören und viel schmerzedukative Arbeit zu leisten.
00:20:55.532 — 00:20:57.532
Wir in der Pflege versuchen dann aber gar nicht so sehr auf die dicke Vergangenheitsakte zu schauen, sondern sagen, wir sind jetzt im Hier und Jetzt und versuchen von hier aus eine Verbesserung zu erreichen.
00:22:41.640 — 00:23:17.009
Wir bekommen Einblick in sehr schwere Schicksale, speziell jene, die auch mit frisch querschnittgelähmten Personen zu tun haben. Man lernt aber über die Zeit damit umzugehen und anzuerkennen, dass es sehr schlimm ist, was gewisse Patienten erlebt haben und erleiden müssen, es schmerzt einen auch und geht sehr nahe, aber ich kann genau diese Menschen nicht unterstützen, indem ich mich von ihnen in ihr Leid ziehen lasse, sondern nur wenn ich fähig bin ihr Schicksal bei ihnen zu lassen und ihnen einfach mit meiner ganzen Fachkompetenz und mit emphatischer Menschlichkeit zur Seite stehen.
00:23:24.082 — 00:23:55.207
Wir haben dazu einen gedanklichen Rucksack hinter der Türe, wo wir am Abend Dinge rein tun können, die nicht bis zu uns nach Hause mitkommen sollen. In sehr schwierigen Situationen bespricht man diesen Rucksack vor Arbeitsende auch noch in einer gemeinsamen Runde, um das am Tag Erlebte besser ablegen zu können.
00:23:59.452 — 00:24:01.452
Wir geben alles tagsüber, sind voll für die Patienten da, müssen aber am Abend mit freiem Kopf nach Hause gehen können.
00:24:23.503 — 00:24:58.871
Das Schönste ist für mich, wenn die Patienten mit einem Lächeln nach Hause gehen können. Deswegen ist für mich auch der Humor eine sehr wichtige Komponente, dass dieser immer auch einen Platz hat, egal wie schlimm die Situation ist, lachen muss auch immer Platz haben, genauso wie man mit gewissen Patient*innen auch mal mitweinen darf.
00:26:49.223 — 00:28:22.597
Die ersten drei Wochen die ich im Schweizer Paraplegiker-Zentrum hier gearbeitet habe waren schlimm. Ich war erst Anfang zwanzig und erinnere mich gut, dass ich dachte; Nein, das geht nicht, das ist so schlimm, ich kann hier nicht bleiben. Ich hatte furchtbare Albträume jede Nacht, obwohl ich die Arbeit sehr gerne machte. Dann habe ich gelernt, diesen mentalen Rucksack zu benutzen und dann ging´s. Mittlerweile arbeite ich seit 27 Jahren hier.
00:31:10.955 — 00:32:00.471
Seit ca. zwei Jahren haben bieten wir auch anthroposophische Therapiemethoden an und können so auch in der Pflege diverse Wickel und Einreibungen durchführen. Das ist sehr spannend und für viele Patienten auch in Kombination mit traditioneller Medizin eine sehr wertvolle Therapiemöglichkeit.
00:34:07.800 — 00:35:07.220
Wegen Covid mussten wir die ganzen Behandlungsräume ausräumen und für Coronapatienten einrichten. Jetzt dürften wir eigentlich wieder für unsere Schmerzpatienten öffnen, aber müssen erst die Klinikräume wieder umrüsten.
Dr. med. Manfred Nelting, Facharzt für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Facharzt für Allgemeinmedizin und Homöopathie
2020-04-23 12:08 Uhr, Bad Godesberg
00:03:02.741 — 00:03:04.741
Tabea: Wir haben uns vor gut einem Jahr in Bad Godesberg bei Bonn in der Gezeiten Haus Klinik, die Elke und du gegründet habt, zu einem ersten Gespräch getroffen. Seither hat sich meine künstlerische Untersuchung weiterentwickelt. Die Arbeit wird auf jeden Fall ein Anfang einer längeren Forschungsarbeit sein.
00:04:20.642 — 00:04:22.642
Tabea: Einstieg mit Pedro Oliveiras Text über Wiederholung und Veränderung.
00:04:24.969 — 00:05:49.362
Da würde ich erstmal sagen, dass es eine wirkliche Wiederholung, im Sinne einer identischen Repetition, beim Menschen nicht gibt. Es ist in der Sportphysiologie so, dass man davon ausgeht, es ist immer etwas anders. Wenn ich eine Bewegung fortführen, also wiederholen möchte, dann mache ich sie immer etwas anders und wenn ich weiter kommen will, dann reicht das etwas anders aber in der Regel nicht aus, wenn ich mich dabei auf die Ähnlichkeit mit dem Vorherigen konzentriere. Und wenn ich sage, ich weiss, dass es immer etwas anders ist und ich deshalb, BEVOR ich die Bewegung nochmals wiederhole, etwas ganz anderes in sehr übertriebener Form tue, z.B. ich tanze ganz ausgelassen, oder mache einfach irgendwie was ganz anderes, dann mache ich die Bewegung wieder; dann ist die Wahrscheinlichkeit, dass ich mich in meinem Bewegungsablauf verbessere sehr gross.
00:05:58.018 — 00:06:00.018
Das bedeutet also, ein klein wenig anders ist es immer. Üblicherweise nicht so stark, dass es die Kette durchbricht, sondern es ist eher so, dass die möglichst gleiche Wiederholung dafür da ist, dass man beispielsweise gut einschlafen kann.
00:07:09.726 — 00:07:51.839
Trotzdem ist es so, wenn ich in meinen Gewohnheiten immer wieder versuche, etwas ein klein wenig anders zu machen, etwas beherzter als nur ein klein wenig vielleicht, dann komme ich ganz sicher vorwärts. Also dieses Versuchen, etwas immer genau gleich zu machen, das ist für das Gehirn letztlich uninteressant und schläfert ein, im Gegensatz dazu ist eine Veränderung von etwas mehr als nur ein klein wenig tatsächlich imstande die Kette zu durchbrechen.
00:10:55.840 — 00:10:57.840
Also wenn ich etwas verändern will, dann ist es gut, wenn ich mein Gehirn aufnahmebereit mache, das heisst bewusst an Gewohntes Ungewohntes oder Neues anknüpfe, damit die Erfahrung nicht im Eiltempo durchs Kurzzeitgedächtnis rauscht und auf der tieferen Erinnerungsebene nichts verändert wird.
00:13:31.452 — 00:13:33.452
Tabea: Die Wiederholung, wenn sie nicht bewusst passiert, passiert einfach, läuft buchstäblich durch den Körper durch. Wenn man aber schon ein Bewusstsein hat, wann gewisse Dinge passieren, dann ist das ein erster Schritt. Es geht um ein Wissen um die kleinen Details. Und dann kann man erst richtig auf den Ablauf schauen und im Kleinsten erstmals anfangen, das Muster zu verändern.
00:14:08.194 — 00:15:08.709
Wenn ich ein Wissen habe, dass ich anwenden kann. Wenn ich zum Beispiel Fingerschmerzen habe und weiss, dass es besser wird, wenn ich sie in warmes Wasser lege, dann kann ich das anwenden, ich verstehe den Kausalzusammenhang. Wenn ich aber nur nach Kausalzusammenhängen schaue, dann entgeht mir vielleicht, dass meine Schmerzen weniger sind wenn ich gerade voller Lebensfreude bin. Es ist also nicht immer der Kausalzusammenhang, sondern immer auch Zustandsbezogen.
00:16:28.677 — 00:16:30.677
Und ich messe und messe und messe und bekomme aber mit diesem zusätzlichen Wissen, was ich dadurch erlange, zusätzlich zum Schmerz auch noch Angst dazu, dann kann es sein, dass dieser Angstprozess die Werte verschlechtert.
00:18:42.677 — 00:18:44.677
Und das Thema wäre, dass mein Leben eigentlich darin besteht dem Schmerz gegenzusteuern, aber dann lebe ich eigentlich nicht mehr, sondern befinde mich in einem pausenlosen, auf den Schmerz fokussierten Kampf, während mein Leben passiert.
00:19:36.709 — 00:21:13.966
Wenn das Gehirn im Taskforcemodus ist, das heisst die täglichen Aufgaben erledigt, sollte es ab und zu unterbrochen werden vom Tagträumen. Dann komme ich in einen Modus, wo ich Dinge hinterfragen kann, rumspielen kann, tagträumen kann, kreativ sein kann. Und da kommt Lust auf, sich lebendig zu fühlen und diese Lust, ist ein positiver Motor, der nicht Teil des Taskforcemodus des Gehirns ist.
00:25:57.094 — 00:26:55.448
Wir erleben immer wieder bei Patienten, die mit Burnoutsymptomen zu uns kommen, dass sie drei verschiedene Krankheiten haben, die nach den Fachärzten nichts miteinander zu tun haben und alle separat behandelt werden und kein Facharzt mit dem andern spricht. Wir schauen dann auf alles drauf und stellen fest, dass es sich bei allen drei Beschwerden um Stressfolgeerkrankungen handelt.
00:26:59.770 — 00:27:55.964
Das heisst, mein Leben verläuft immer so, dass wenn eine Krise da ist, die nicht gelöst wird, am Körper versucht wird, einen Knopf zu drehen, der die Beschwerden verschwinden lässt, meistens in medikamentöser Form. Der Körper ist aber meiner Auffassung nicht dazu da, dass man beliebig an Knöpfen rumdreht, sobald etwas nicht ganz im Lot ist, sondern er ist dazu da, an Krisen zu wachsen und zu reifen. Insofern ist das Sehen von Verbindungen zwischen den einzelnen Dingen essenziell. Es gibt es natürlich schon, dass zwei völlig unverbundene Dinge einen Menschen/Körper treffen, aber viel seltener, als dass das Eine mit dem Andern in irgendeiner Art zusammenhängt.
00:28:00.287 — 00:28:02.287
Und das ist natürlich dann die Aufgabe einer integrativen, Fachübergreifenden Sichtweise und entsprechenden Behandlung. So wie du das jetzt auch gerade mit deiner künstlerischen Herangehensweise machst. Und in dieser Art von Vorgehen können eben auch Ansätze zu Lösungen liegen.
00:31:06.157 — 00:31:08.157
Tabea: Die Frage, die ich allen in Bezug auf ihre Schmerzen stellte: Wie liegen die Schmerzen/die Erfahrung denn im Leben der Person drin?
00:31:23.447 — 00:31:25.447
Ja genau, aber du bist möglicherweise die Erste, die diese Frage gestellt hat, auch wenn sie schon seit Jahrzehnten in Behandlung sind. Und eigentlich sollte genau das der Arzt am Anfang fragen. 00:34:05.543 — 00:34:07.543
Wir müssen das medizinische System dahingehend entwickeln, dass die Ärzte oder die mit der Behandlung betreuten Personen anfangen mit der Frage, wie der Patient oder die Patientin die Krankheit sieht. Und meistens erzählen darauf die Patienten fast schon alles, was mit ihren Schmerzen zusammenhängt. Vielleicht kreuz und quer und unter anderen Schichten verborgen und es passt nicht zusammen auf den ersten Blick, aber wenn man genau hinschaut, sieht man die Verknüpfungen, findet die Kette von Ereignissen oder Erfahrungen, die zum Schmerz führen.
00:34:55.253 — 00:34:57.253
Dann bekommen Betroffene eine kausale Behandlung und gleichzeitig nimmt man aber das Leben dazu, es darf dazukommen. Das muss man aber vorsichtig an die Patienten heranführen, da die meisten damit ungeübt sind, d.h. gewohnt sind, zum Arzt zu gehen und nur kausal behandelt zu werden und ihr Leben Privatsache ist und buchstäblich nichts zur Sache tut.
00:35:25.510 — 00:35:27.510
Tabea: Gehirnstruktur? Wie verlernen, wie neu lernen?
00:37:28.704 — 00:38:22.736
Erstmals braucht es im Aussen jemanden, der daran glaubt, dass eine Veränderung der Schmerzen möglich ist, auch wenn der Patient schon lage daran leidet. Jemanden, der Verbindungen in der Struktur sieht, welche beweglich und somit veränderbar sind. Das setzt aber voraus, dass man die betreffende Person wirklich kennenlernt und einen Einblick in die verschiedenen Dimensionen ihres Lebens bekommen kann.
00:38:50.832 — 00:38:52.832
Ich habe zum Beispiel häufig gesagt, wenn ich nicht genau sehe, wo ich am besten helfen kann: ”Ich bin mir noch nicht ganz klar wie ich Ihnen am besten helfen kann, ich muss nochmals in mich gehen und in Ruhe darüber nachdenken, ich rufe Sie morgen an.”
00:39:27.574 — 00:39:29.574
Allein schon dieser Satz hat sich oft als extrem hilfreich erwiesen, weil ich damit sage: ”Ich beschäftige mich mit Ihnen, ich denke darüber nach, wie und mit was ich Ihnen helfen kann, d.h. ich nehme das Leiden zur Kenntnis und ernst. Ich denke nochmals mit meinem ganzen Wissen über alles, was ich erfahren habe, nach und Sie sind mir nicht egal.”
00:40:10.800 — 00:40:14.961
Die Patientin oder der Patient muss für eine Therapie aufnahmefähig sein und muss Ja dazu sagen und sich darauf einlassen. Dieses Sich-darauf-einlassen ist eine Art Beziehung.
00:41:17.799 — 00:41:19.799
Bei Schmerzpatienten geht es oftmals um besser oder schlechter. Es dreht sich nicht immer um Wegmachen, man kann mit Krankheiten leben. Das heisst, wenn es besser ist und vielleicht sogar deutlich besser, wie wunderbar ist das denn!
00:41:56.702 — 00:41:58.702
Um diese Fragen dreht es sich und das sind alles Fragen jenseits der Kausalität, das sind alles meiner Meinung nach, Beziehungsfragen, die dem leidenden Menschen eine Schutzhülle geben können.
00:42:22.638 — 00:42:24.638
Tabea: Dialogisches Arzt-Patienten-Verhältnis, kein Frage/Antworten System.
00:45:22.024 — 00:46:03.088
Wie der bekannte deutsche Psychosomatiker Prof. Thure von Uexküll sagt: «Es gibt nicht das a priori Richtige, wir müssen das Passende suchen und das Passende wird dann zum Richtigen.» Das heisst für mich, wir müssen eine Passung herstellen können zwischen Arzt und Patient.
00:46:29.024 — 00:46:31.024
Diese Passung muss jede Ärztin und jeder Therapeut für sich herstellen. Es muss sich um einen unvoreingenommenen Ersteindruck handeln.
00:48:36.539 — 00:49:28.409
Ideolektik: Die Patienten sagen alles und wir müssen verstehen,
was sie sagen. Anhand von ihren Worten gehen wir weiter um zu verstehen, wie ihr Sprachbild aussieht.
00:49:37.055 — 00:49:43.377
Die Patienten besitzen eigentlich alle Information zu ihren Schmerzen, aber dieses Wissen ist wie ein unsortierter Haufen.
Die Patienten sind die Themenexperten und ihr therapeutisches Gegenüber sind die Prozessexperten, die helfen können, den Haufen zu sortieren und wissen, wie man mit den Bestandtteilen umgehen kann.
00:50:06.998 — 00:50:32.511
Das heisst der Dialog zwischen Patient und Therapeut ist immer etwas Neues, beide lernen dazu. Wir bezeichnen das als einen emergenten, veränderlichen Prozess.
00:50:33.855 — 00:50:57.818
Der Dialog ist die Form, in der wir lernen. Die Form, in der wir uns auseinandersetzen. Und dann gewinnen wir daraus die Chance, dass aus dem was wir verstehen, eine Erfahrung wird und diese Erfahrung relevant wird und es die relevanten Erfahrungen sind,
die unser Gedächtnis ausbilden.
00:52:44.731 — 00:52:46.731
Es soll eben keine Diskussion sein, auch keine Auseinandersetzung, sondern ein Dialog, eine Sinnverständigung.
00:53:13.654 — 00:53:51.874
Der Bohmsche Dialog basiert darauf, dass ein Gespräch als sprachlicher Austausch zum Fliessen von Sinn und das Erschliessen von Bedeutung um und mit den betroffenen Personen dient. Ein Gespräch zwischen zwei Menschen, ohne dass vom Zuhörer schon im Hören das Gesagte beurteilt wird.
Dr. med. André Ljutow, MSc für interdisziplinäre Schmerzmedizin, FA Orthopädie, Schmerzspezialist SGSS
Dr. med. Cem Yetimoglu, FA Neurochirurgie FMH, Schmerzspezialist SGSS, Komplementärmedizin
2020-04-02 14:01 Uhr, Zentrum für Schmerzmedizin Nottwil
00:01:03.013 — 00:01:05.013
Tabea: Philosophischer Gesprächseinstieg mit dem Loop-Text.
00:01:42.964 — 00:02:27.355
C.: Das finde ich einen sehr schönen Gedanken, dass etwas Neues dazukommt. Vom Philosophischen her erinnert mich das eigentlich an das Bewusstsein. Etwas Altes wird gespielt und etwas Neues kommt hinzu. Es gibt ja auch Theorien, dass das Bewusstsein auf so ähnlichen Prinzipien basiert.
00:03:09.526 — 00:03:11.526
C.: Loop = Schleife, oder auch eine Lemiskate, d.h. eine liegende 8?
00:03:16.185 — 00:03:49.478
Tabea: Es geht mir um eine Wiederholung von gewissen Dingen, die den Inhalt dieses Loops darstellt. Und diese Wiederholungen, unabhängig von ihrer Form, einen ständigen Ablauf bilden.
00:04:01.527 — 00:04:24.537
Tabea: Der zweite Teil, als Analogie, mit dem Bewusstsein, da ich denke, dass es bei chronischen Schmerzen einen grossen Unterschied macht, wie viel man über die Einzelheiten weiss, welche im wiederholten Auftauchen des Schmerzes drinstecken.
00:04:28.249 — 00:04:30.249
Tabea: Wie viel man über seine Schmerzen wissen muss, um auf Details dieser Schmerzrepetition schauen zu können.
00:04:43.835 — 00:05:37.279
C.: Das ist, glaube ich, eine sehr gute Frage, wie viel Bewusstsein gehört dazu, oder was muss man sich da überhaupt bewusst sein, bei den ganzen Wiederholungen...da würde mir jetzt spontan der Prozess/das Prozesshafte einfallen. Dass man sich quasi bewusst werden muss, dass die Erfahrung chronischer Schmerzen ein Prozess ist, dass es da Wiederholungen gibt, und dass man am Ende vielleicht gar nicht weiter kommt. Ziel wär›s natürlich schon, dass man irgendwann aus diesen Wiederholungen eine Weg findet, um etwas Neues hineinzubringen, damit dieser Loop vielleicht anders verläuft und somit einer stetigen Veränderung unterliegt.
00:06:06.970 — 00:06:08.970
Tabea: Kann man sagen, dass Wiederholungen ein Teil von chronischen Schmerzen sind?
00:06:14.393 — 00:06:46.309
C.: Ja also, das gibt es, das gibt es sicherlich. Im Operativen beispielsweise gibt es das, dass die Leute einmal, nochmal und nochmal und sogar nochmal operiert werden.
00:06:40.373 — 00:07:33.074
A.: Aus der Perspektive des Patienten ist ja die hauptsächliche Wiederholung, dass du immer wieder Schmerzen erlebst und immer wieder keine vernünftige Erklärung dafür findest. Das keine somatische Ursache dafür gefunden wird. Die wiederholte Erfahrung, dass du zu Therapeuten gehst, die dir auch nicht helfen können. Jedes Mal keimt Hoffnung auf. Jedes Mal investierst du Vertrauen, jedes Mal wirst du wieder enttäuscht. Daraus folgert dann die Konklusion, “mir kann ja eh keiner helfen”, was dann oft in eine Depression hineinführt. Das sind einerseits Wiederholungen, aber andererseits eben auch so Spiralen, die dann eher abwärts führen.
00:08:16.125 — 00:09:17.734
C.: Ein Prozess auf verschiedenen Ebenen. Ebenen die ineinander wirken. Bei den verschiedenen Behandlern, die das aus verschiedenen Blickwinkeln betrachten. Man kann das also auch perspektivisch sehen; von verschiedenen Standpunkten aus. Oder auch prozessual, dass eben verschiedene Ebenen ineinandergreifen. Beispielsweise, das Emotionale mit dem Rationalen mit dem Bildgeberischen, mit dem Musklären, aber eben auch mit dem Seelischen und auch mit dem Rhythmischen: Wenn jemand sehr starke Schmerzen hat, hat er einen anderen Blutdruck und einen anderen Kreislauf.
00:09:25.156 — 00:09:45.940
C.: Das macht dann auch die Behandlung so schwierig, weil man eben aus diesen Spiralen und aus diesem Teufelskreis herauskommt und die verschiedenen Fachrichtungen das eben von verschiedenen Blickwinkeln anschauen.
00:09:53.363 — 00:09:55.363
C.: Dies ist, denke ich, dann auch Sinn und Zweck des Prozessualen. Dass dann eben auch in der Therapie die verschiedenen Ebenen ineinander wirken können.
00:11:33.569 — 00:12:45.569
A.: Fibromyalgie ist eine extreme Ausprägung, also ein hypersensitivitäts-Syndrom. Also eine Situation, wo die körpereigene Schmerzabwehr versagt und wo umgekehrt aber eine übertriebene Vigilanz da ist, für alle möglichen Reize, welche dann in Schmerz übersetzt werden. Und dafür gibt es keine organisch fassbare Ursache. Das ist auch keine Depression oder sowas, sondern einfach eine Störung in der zentralen Prozessverarbeitung. Letztendlich ein “Fehler” in der zentralen “Software”.
00:13:04.126 — 00:14:56.208
A.: Im Gegensatz dazu ist z.B. der Rheumatiker, der also eine rheumatoide Arthritis hat, sprich eine chronische Entzündung im Körper hat, der jeden Tag auch Schmerzen hat, aber für die es eine begründbare, organische Erklärung gibt. Weil die zwei Typen unterschieden sich schon, beim Rheumatiker, wenn man die mal unter dem Fokus Lebensqualität anschaut, geht es denen oft gar nicht so schlecht. Der Unterschied ist eben, sie haben eine Erklärung, sie haben eine Diagnose und sie können “Belege” vorweisen und sie haben eine Perspektive, auch wenn die manchmal langfristig negativ ist, aber sie wissen, was sie ungefähr erwartet. Auf der anderen Seite der Firbromyalgiepatient oder die Migränepatientin, die wissen all dies eben nicht. Für die Migräne gibt es immerhin Erklärungsmodelle, was dann im Gehirn abläuft. Das hat auch sehr viel damit zu tun. Zum Beispiel für Eltern mit einem Migränekind wird empfohlen, dies nicht als Defizit zu vermitteln, sondern als ein zuviel an Aufmerksamsfähigkeit: Diese Kinder können nicht filtern, sie nehmen alles auf, bis irgendwann das Gehirn sagt, he, das kann ich jetzt aber alles nicht mehr aufnehmen und dann eben quasi die Notbremse zieht.
00:15:00.662 — 00:16:08.951
C.: Immer wann man eine Erklärung hat, ein Modell hat, etwas aufzeigen kann, kommt dann quasi auch der Aspekt der Resilienz hinzu, dies ist die Sinnhaftigkeit. Dass man das willkürliche Ausgeliefertsein dadurch wegnimmt, indem man weiss, dass man z.B da und da dauf aufpasst. Dass man praktisch eine Erklärung gibt und dadurch tut man eben im Philosophischen eine Sinnhaftigkeit herbeiführen. Und dies ist letztendlich sehr wichtig für den Erfolg einer Therapie. Dass man in seiner Schmerzerfahrung eine Sinnhaftigkeit erleben kann, weil dies dann die Resilienz fördert, sprich die Widerstandsfähigkeit gegenüber der Erkrankung.
00:16:30.477 — 00:16:32.477
C.: Im Gegensatz dazu ist natürlich eine ärztliche Aussage wie, keine Ahnung, kann ich nicht helfen, sehr frustrierend.
00:16:47.549 — 00:17:20.209
C.: Definition von chronischen Schmerzen (Wikipedia),: Es ist eine Sinneswahrnehmung, die keinen Sinn hat, die keinen Grund hat, und dann ist man im Luftleeren Raum... toll, dies bringt den Patienten aber auch nicht weiter. Man muss dann eben schauen, wie kann man ihnen helfen und eine Sache ist eben eine Erklärung dafür zu finden. Dies egal auf welcher Ebene.
00:17:27.631 — 00:18:45.570
A.: Es ist schon eine grosse Erleichterung, wenn man weiss, man darf Schmerz empfinden, auch wenn es dafür keine körperlich fassbare Erklärung gibt. Weil das Muster, was sich ja vorher abspielt in der Arzt-Patienten Interaktion ist ja, der Patient kommt und schildert seinen Schmerz, der Arzt glaubt, es ist das Symptom einer zugrundeliegenden Erkrankung, sucht auf seinem Fachgebiet und sagt: “Ich finde nichts”, da ist nichts, sie haben nichts. Dies heisst übersetzt für den Patienten: “ich bilde mir das ein, oder ich bin verrückt, oder der nimmt mich nicht ernst“, und damit steht man wieder vollkommen alleine und verzweifelt da. Einerseits spürt man den Schmerz, andererseits zweifelt man an sich selbst, traut sich gar nicht, dies zu äussern, um nicht wieder so eine Enttäuschung zu erfahren. Deswegen ist alleine die Feststellung, es gibt Schmerz ohne fassbare Ursache, schon für die Patienten eine grosse Entlastung.
00:19:12.290 — 00:19:45.693
A.: Chronischer Schmerz ist noch viel zu wenig in der medizinischen Ausbildung verankert. Es ist eine “neue” Disziplin.
00:19:52.374 — 00:20:22.065
A.: Bis vor ungefähr drei Jahren galt in der Schweizer Rechtsprechung noch, dass eine Somatisierungsstörung, also dass ein Patient Schmerzen empfindet, ohne dass man dafür eine erklärende Pathologie durch verschiedene ärztliche Untersuchung findet, als eine “willentlich überwindbare Störung”.
00:20:28.745 — 00:20:50.270
C.: Bis ein allgemeines Verständnis von Somatisierungsstörungen in der Allgemeinmedizin überall ankommt, wird es noch ein paar Generationen dauern.
00:21:42.230 — 00:21:44.230
Tabea: Frage zum Schmerzgedächtnis
00:21:44.456 — 00:23:23.178
C.: Zu einem ist es so, dass jeder Schmerz immer verinnerlicht und nie vergessen wird. Die Funktion des Schmerzes ist auch eine Lernfunktion, um sich künftig zu schützen (Schmerz als Warnsignal). Beim chronischen Schmerz ist quasi das Schmerzgedächtnis insofern verändert, dass es wie antrainiert ist. Das sind eben diese Wiederholungen, praktisch wie ein Muskel der trainiert wird. Und wenn man dann ständig die gleiche Bewegung macht, dann wird dieser Muskel auftrainiet, d.h. wenn man ständig diesen Schmerz hat, dann wird dieses Schmerzgedächtnis auftrainiert.
00:23:23.178 — 00:25:24.168
A.: Schmerzgedächtnis, das ist insofern ein irreführender Terminus, weil er legt so nahe, dass man den Schmerz so wie eine Erinnerung abrufe kann. Wie Bilder, Situationen, Gerüche, Geschichten, die man so wie aus der Bibliothek wieder aktuell ins Bewusstsein rufen kann. Und ganz so ist das, was man mit Schmerzgedächtnis umschreibt ja nicht. Sondern das sind Lernprozesse, Sensibilisierungsprozesse im zentralen Nervensystem, in der Kette der Signalverarbeitung. Wichtig nochmals klarzustellen, dass das was in der Peripherie einläuft an Informationen und was dann in der ganzen Kette verarbeitet wird, ist ja erst mal wertneutral und die Bewertung Schmerz findet ja erst ganz zum Schluss statt. Aber diese Informationsübermittlungskette, die wird quasi wie aktiv geschaltet, oder so wie wenn man am Tonmischpult die Empfindlichkeit für die Mikrofone höher drehst. Und dann reichen immer geringere Reize, um am Ende dieser Verarbeitungskette diese Emotion oder dieses Erleben von Schmerz auslösen.
00:25:31.591 — 00:26:35.426
C.: Am Anfang sind die kortikalen Gebiete noch viel stärker in die Empfindung Schmerz involviert. Wenn aber der selbe Schmerzreiz ständig anhält oder wieder kommt, dann schalten die kortikalen Regionen die Lokalisation ab und die tieferen Hirnregionen, die ja wissen welche Stelle betroffen ist, die übernehmen dann praktisch gänzlich die Funktion des Schmerzempfindens. Das sind die lymnischen und talamischen Regionen, welche natürlich viel näher sind an dem emotionalen Erleben. Also quasi von der Lokalisation im Körper weg zur zur Emotion hin wandelt sich das. Das weiss man durch funktionelle MRI, dass sich die an dem Empfinden von Schmerz beteiligten Hirnregionen innerhalb von drei bis sechs Monaten ändert.
00:26:43.591 — 00:27:42.229
A.: Das hat dann strukturell im Gehirn, zieht das Veränderungen nach sich. Verhältnis Grausubstanz zu Weisssubstanz und diese Veränderungen sind aber reversibel! Das heisst wenn der Schmerz sich verändert und eventuell ganz weggeht, dann wird diese Veränderung auch wieder zurückgebaut.
00:27:37.777 — 00:28:15.632
C.: Das Gehirn hat eine gewisse Plastizität. Pianisten zum Beispiel haben eine spezifische Hirnregion anders ausgeprägt, einfach durch das viele Spielen.
Beim chronischen Schmerz wird auch eine bestimmte Hirnregion trainiert, und die lässt sich durch die Plastizität der Gehirns, indem man andere Trainings hineingibt wiederum ändern.
00:28:53.488 — 00:28:55.488
C.: Bei einer Operation, hat man eben erst mal den Trigger des Schmerzes behoben und damit aber keine Garantie auf Schmerzfreiheit. Das Gehirntraining erfolgt dann praktisch während der Rehabilitation.
00:29:10.559 — 00:30:19.591
A.: Die Veränderung eines Lernprozesses, dass ist das, wo ganz viele unserer Therapieansätze abzielen. Angefangen von der Intervention, die kurzfristig den Schmerz unterbricht, um diesen Sensiblitätsprozess nicht weiter anzuheizen, bis hin zu den Techniken der Körperwahrnehmung, der Entspannung, der kognitiven Verhaltenstherapie, der Schmerzbewältigung, der graduierten Belastungssteigerung in der Physiotherapie, das alles zielt letztendlich auf die zentralen Lernprozesse, auf eine andere Erfahrung, die dieser Schmerzerfahrung entgegengesetzt wird. Alle diese Verfahren haben zentralwirksame Anteile.
00:30:55.220 — 00:31:33.076
C.: Das Hirn reicht aber als Strukturveränderung nicht aus, der Körper muss fühlen: das geht, oder ich kann das, man muss wieder die verschiedenen Ebenen einbeziehen. Nur wegzureden oder nur wegzutrainieren körperlich, ist eben nicht so wirksam, wie gleichzeitig das Kognitive und das Körperliche verändert. Die Multidimensionalität ist das wichtigste.
00:31:53.117 — 00:32:33.941
C.: Wieso dass das so ist, habe ich mir noch gar nicht richtig überlegt, aber vielleicht, weil die Wirklichkeit eben auch nicht eindimensional ist. Und es ist ja dann letztendlich auch immer der Körper, wo der Schmerz empfunden wird, auch wenn der Impuls dazu zentral kommt.
00:33:11.797 — 00:34:03.014
A.: Der Herzschmerz, der ja nicht körperlich zu lokalisieren ist, nutzt zum Beispiel in weiten Teilen, die gleichen neuronalen Verarbeitungsmuster wie ein peripherer Schmerzreiz. Und bei sehr intensiven, emotionalen Erlebnissen spürt man diese ja wirklich schmerzlich/körperlich.
00:34:46.066 — 00:35:30.602
A.: Leid und Schmerz sind keinen synonymen Begriffe. Leid hat meiner Meinung nach noch mal mehr Dimensionen als Schmerz. Schmerz ist auch nicht unbedingt eine Vorbedingung von Leid, aber sehr oft erzeugt Schmerz auch Leid.
00:35:59.551 — 00:36:01.551
A.: chronischer Schmerz hat eigentlich fast immer eine Leidenskomponente.
00:36:27.101 — 00:36:46.856
Tabea: Wie geht ihr mit den gehörten Geschichten um?
00:36:45.019 — 00:38:06.562
C.: Bei mir war das immer schon so, dass mich das interessiert irgendwie. Ich kanns nicht erklären. Ich habe mich immer interessiert, was wohl dazu führt, dass jemand diese Schmerzen hat, und man nichts findet. Nach wie vor ist bei mir dies bei jedem Menschen eine Herausforderung. Obwohl man die Mechanismen kennt, obwohl man weiss, wie gewisse Ebenen entstehen. Man kann nicht völlig jede Dimension des chronischen Schmerzes erforschen, jede Frage stellen. Es geht in gewisserweise ja auch um eine Beziehung, ums Kennenlernen, um einen Beziehungsaufbau zum Patienten. Und damit lernt man Stück für Stück den Patienten erst mal kennen. Das ist nicht so, dass man dann nach den ersten Konsultationen alles nötige weiss. Und genau dies macht es aber für mich spannend.
00:38:05.156 — 00:38:07.156
A.: Es ist ein Stück weit fast forensische Arbeit.
00:38:16.404 — 00:38:58.581
C.: Natürlich ist es so, dass einem die Geschichte eines Patienten auch mal belasten kann, aber ich weiss nicht genau wieso, aber ich kann irgendwie anteilnehmen, aber ohne dass es mich persönlich belastet. Ich finde anderes zum Beispiel viel belastender, z.B. die Onkologie.
00:39:11.234 — 00:40:15.906
A.: Strategie: Einerseits dem Patienten sehr emphatisch entgegentreten, sein Vertrauen erwerben, ihn wirklich versuchen kennenzulernen und zu verstehen und andererseits sich aber selbst davon innerlich genügend distanzieren. Man darf die Geschichten nicht mit nach hause nehmen. Wenn man das nicht kann, läuft man Gefahr auszubluten und sich vollkommen zu erschöpfen.
00:42:25.250 — 00:43:06.021
A.: Gefährlich: Klassischer Satz: Sie sind jetzt meine letzte Hoffnung.
00:45:53.325 — 00:48:06.886
C.: Die Patienten schätzen ihre Geschichte sehr unterschiedlich ein. Da gibt es Patientinnen, die sind sehr reflektiert, die können einen gewissen Abstand haben zu ihrer Geschichte und zu dem, was sie erlebt haben. Bei denen ist es dann einfacher, weil diese oftmals mehr Distanz zu ihren eigenen Emotionen haben können, was sehr schwierig ist. Gewisse merken, dass sie schlecht gelaunt sind, dass sie zusätzlich zu den Schmerzen eine Depression haben, die sie blockiert, andere spüren, dass sie Ängste und Sorgen haben, die sie blockieren. Und dann gibt es das andere Extrem von Patienten, die sagen es geht ihnen wunderbar, alles gut, nur das Knie ist das Problem.
00:52:46.663 — 00:52:48.663
Tabea: Mein Vorhaben: Das Phänomen “chronischer Schmerz” auseinander nehmen, in einzelne Komponenten zerlegen und dies über künstlerische Formen fraktal neu darstellen.
00:54:09.612 — 00:54:11.612
Tabea: Chronischer Schmerz ist ja immer so eine Konstellation, welche im Verbund von vielen Faktoren sich erst manifestiert/getriggert wird
00:55:15.690 — 00:56:02.085
Tabea: Ich interessiere mich sehr stark dafür, wie so Geschichten passieren. Diese Vielschichtigkeit, diese kleinsten Einzelteile, die dann das Phänomen chronischer Schmerz bildet.
00:56:18.956 — 00:57:43.310
C.: (Memorized Pain Website: Das was ich hier gerade sehe, finde ich schon sehr gut, weil es zeigt verschiedene Ebenen, Wiederholungen, verschiedene Perspektiven, die Wiederholung, aber es ist doch immer ein bisschen anders. Die Distanz mit der man auf etwas schaut, ändert alles. Wenn man dann so stark reinzoomt und so ganz dicht dran ist, wird es fast wie zu einer anderen Welt, eine art Mikrokosmos. Von weit her ist das selbige dann wieder eher ein Gesamteindruck.
00:58:39.854 — 00:59:40.368
A.: Corona: Wir hängen vollkommen in der Luft. Es wird geübt, geprobt, geplant. Andererseits, der normale Betrieb steht vollkommen still und alle arbeiten jetzt so Sachen auf, oder beschäftigen sich mit Projekten, oder versuchen den Schreibtisch und das Postfach leer zu kriegen. Keiner kann uns wirklich sagen, ab wann wir hier für Coronapatienten eingespannt sind und wie dass dann genau weitergeht. Vor allen Dingen, wenn wir wirklich mit einer nennenswerten Zahl von infizierten Patienten konfrontiert werden. wird auch ein Teil des Personals erkranken und ausfallen. Damit sind dann wieder alle aktuellen Pläne Makulatur und es muss improvisiert werden. Wir wissen gar nichts.
Karina Ottiger-Böttger, MAS Physiotherapie
2020-04-22 13:04 Uhr, Zentrum für Schmerzmedizin Nottwil
00:02:28.691 — 00:02:30.691
Eine Herangehensweise als Physiotherapeutin ist zum Beispiel, dass man versucht, so viel wie möglich aus den Bewegungen der Patienten herauszulesen, speziell auch in den Momenten, wo sie sich “unangeleitet” bewegen, das heisst sie bewegen sich, ohne darüber nachzudenken, zum Beispiel beim Gang zur Therapiesitzung oder beim Umziehen.
Daran kann ich schon ganz viel ablesen, wie sie sich im Alltag bewegen, ob sie sich fest einschränken oder freier bewegen, etc.
00:03:04.785 — 00:03:15.191
Ich schaue auch sehr darauf, ob das was mir die Patienten erzählen, mit ihrem körperlichen Verhalten zusammenpasst.
00:03:25.031 — 00:04:01.253
Eine Patientin hat heute ganz langsam den Kopf hin und her bewegt und dabei sehr schmerzhaft das Gesicht verzogen, aber als ich sie dann gefragt habe, ob die Bewegung sehr schlimm sei, meinte sie: Nein, nein, es geht schon. Dann ist die Frage für mich, ja wieso verzieht sie dann das Gesicht so, hatte sie Angst davor, dass es weh tun könnte, oder tut es weh und sie ordnet den Schmerz verbal falsch ein? Da muss man dann wie nochmals ausfragen, was war jetzt die Reaktion genau. Oft haben Patienten dann Angst, es könnte weh tun und dann tut es aber vielleicht gar nicht weh.
00:04:17.234 — 00:04:24.561
Viele Bewegungen, die Schmerzen verursachen machen Patienten dann nicht mehr, weil sie Angst vor den Schmerzen haben und finden dann zum Beispiel bei mir in der Therapie heraus, dass es eben doch geht, oder zumindest nicht so weh tut, wie sie befürchtet haben.
00:04:40.673 — 00:04:49.065
Die wissen dann gar nicht, ob es weh tut oder nicht, sondern sie haben direkt Angst, das heisst, dass quasi die Angst dann das erste Problem ist und nicht die Schmerzen.
00:05:21.157 — 00:05:23.157
Es gibt auch eine überzeichnete Reaktion auf Schmerzen. Dann werden Schmerzerfahrungen praktisch bei jeder Bewegung übertrieben demonstriert, das hat aber nicht mit simulieren zu tun, sondern damit dass Menschen schon lange Schmerzen haben und damit nicht ernst genommen wurden.
00:06:01.641 — 00:06:03.641
Der Schmerz lässt sich durch nichts beeinflussen: Patient: “Ja, das habe ich nur angekreuzt, in der Hoffnung sie nehmen mich ernster.”
00:06:24.014 — 00:06:26.014
Dann erkläre ich, wie wir hier arbeiten und was unsere Haltung als Therapierende gegenüber unseren Patienten und chronischen Schmerzen ist: “Wir schauen immer genau hin und nehmen das Schmerzleiden ernst und dafür brauchen wir so präzise Aussagen und Angaben wie möglich von ihnen.“
00:06:52.693 — 00:06:57.888
Viele Patienten waren ja nicht nur bereits bei vielen Ärzten, sondern haben auch schon von vielen Seiten zu viele Versprechungen zur Heilung oder Besserung bekommen, die dann nicht eingetreten sind. Da muss man dann zuerst wieder in kleinen Schritten Vertrauen aufbauen.
00:07:15.197 — 00:07:17.197
Oft werden sie auch im Umfeld nicht, oder zu wenig ernst genommen: Schmerz siehst du nicht, er ist unsichtbar. Ein gebrochener Arm, oder ähnliches ist viel sichtbarer und zeitlich absehbar und somit vom Umfeld einschätzbar und tolerierter, als Menschen mit chronischen Schmerzen.
00:07:30.744 — 00:07:32.744
Das Unsichtbare bei chronischen Schmerzen lässt für das Umfeld Spielraum zur Interpretation offen, respektive muss übersetzt werden aus dem was die betroffene Person davon erzählt oder zeigt.
00:07:42.049 — 00:07:44.049
Tabea: Das heisst, es ist schon bei den Patienten in ihr Umfeld eine ständige Darstellung oder Übersetzung notwendig?
00:07:51.487 — 00:07:53.487
Wenn es einfach “nur” weh tut und man aber von aussen nichts sieht, dann ist es schon schwierig für das Umfeld, damit umzugehen.
00:08:32.966 — 00:08:34.966
Schmerzedukation ist in dem Sinne genauso wichtig für das Umfeld von chronischen Schmerzpatienten, wie für die betroffenen Menschen selbst.
00:09:24.619 — 00:09:26.619
Perspektivenwechsel ist fast das wichtigste: Dass man sich immer vorstellt, der/die andere zu sein und wie es einem gehen würde, mit sowas zu leben und umgehen zu müssen.
00:10:03.750 — 00:10:28.794
Ich sehe immer wieder ähnliche Muster und Verhaltensweisen und versuche aber trotzdem nie jemanden einfach aufgrund meiner Erfahrung zu kategorisieren oder abzustempeln, sondern schaue immer individuell und möglichst ohne voreilig den Menschen zu beurteilen, den ich gerade in meiner Therapie erlebe.
00:11:51.751 — 00:12:52.795
In der Physiotherapie überschreitet man ja immer die physische Distanz des “privaten Raumes”, indem man die Menschen ja anfasst, körperlich mit ihnen arbeitet. Dies schafft eine andere Beziehung zu mir als Therapeutin und oft erzählen mir dann Menschen Dinge, die eigentlich eher in die Sitzung mit der Psychotherapeutin gehören, weil sie denken, ich bin nur für den Körper zuständig und beurteile demnach nicht, was sie mir erzählen.
Bei der Psychologie gibt es einfach immer noch sehr oft die Angst der Patienten, dass wenn sie da zuviel erzählen, sie dann als psychisch krank eingestuft werden:
00:12:58.274 — 00:13:00.274
«Nicht dass ich abgestempelt werde, es sei alles nur psychisch – sprich ich bilde mir das alles nur ein.»
00:13:09.230 — 00:13:11.230
Tabea: Das ist eine der grössten Ängste von Schmerzpatienten und Schmerzpatientinnen?
00:13:22.535 — 00:13:24.535
Ja, auch und oft hat es halt damit zu tun, dass nicht gut genug aufgeklärt wird von medizinischer Seite.
00:13:45.231 — 00:13:45.231
Die immer noch stark verankerte Auffassung der Trennung von Körper und Geist ist eine der Hauptursachen für diese Haltung.
00:13:51.576 — 00:13:53.576
Tabea: Die Dichotomie von Körper und Geist, der nichtexistenten Schnittmenge und somit existiert keine Einflussmöglichkeit des einen auf das andere.
00:13:58.848 — 00:14:04.516
Ja, das bedeutet dann für viele, wenn das Körperliche repariert ist und der Schmerz fortbesteht, dann müssen sie ja psychisch “einen an der Waffel” haben.
00:14:13.450 — 00:14:31.317
Und selbst wenn Patienten um die Verbindung von Psyche und Körper wissen, ist es immer noch schwierig, sich dessen im konkreten Fall auch bewusst zu sein.
00:15:47.891 — 00:16:03.843
Solange die Dichotomie von Psyche und Körper von vielen Therapeuten und Ärzten noch aufrechterhalten wird, hat eine, dem entgegensetzende Schmerzedukation für Patienten einen schweren Stand.
00:19:47.824 — 00:20:21.006
Aus den ganzen Geschichten, die mir erzählt werden, denke ich
immer wieder, wie viele äussere Faktoren, wie soziale Probleme, finanzielle Schwierigkeiten, etc. überhaupt da sind. Wie viel Gewalt- und Machtspiele überall passieren. Das beschäftigt mich immer wieder.
00:21:12.693 — 00:21:31.837
Durch die Menge an körperlicher Therapieerfahrung die ich sammle, über die Masse an Erzählungen, die ich höre, habe ich mit den Jahren ein ziemlich zielsicheres Bauchgefühl dafür entwickelt, wo was nicht stimmt.
00:23:06.278 — 00:23:26.059
Tabea: Ich versuche in meiner Arbeit auch besser auf den Punkt zu bringen, was chronische Schmerzen im Vergleich zu Schmerz an sich bedeuten.
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Ich denke, das Problem ist, dass chronischer Schmerz so alltagseinschneidend ist; dieses Nichtwissen von: “Bleibt das jetzt mein Leben lang, wird das noch schlimmer, wie soll das werden, wenn ich alt bin, dann fangen ja sowieso viele Schmerzen noch zusätzlich an, … ?”.
Dann betrifft Chronischer Schmerz vor allen Dingen auch alle Bereiche, er betrifft das Privatleben, die Arbeit, die Freizeit,
er ist allumfassend in dem Sinne.
Chronische Schmerzen sind mehrdimensional auf lange Zeit, oder besser gesagt: auf unbestimmte Zeit und das macht die Krankheit so ungeheuerlich.
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Es gibt viele Patienten, die auf der ewigen Suche sind nach der Ursache, obwohl chronische Schmerzen oft irgendwann gar keine “Ursache” in dem Sinne mehr haben, sondern ”einfach” vom Gehirn ausgelöst werden durch unterschiedliche Impulse im Innen oder Aussen, der Schmerz hat sich sozusagen verselbständigt und somit ist eine Diagnose im klassischen Sinn auch nicht mehr gut möglich.
Für mich macht das allerdings keinen Unterschied in der Therapie, denn ich behandle nicht die Diagnose, sondern das, was mir die Patienten berichten.
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Ich glaube halt dieses “Nichtgreifbare” und diese unterschwellige Angst, dass man irgendwas übersehen hat was sich klassisch medizinisch behandeln lässt, erleben viele Patient*innen.
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Solche, die auf der ewigen Suche bleiben, die muss man dann auch irgendwann wieder “freigeben” und weitersuchen lassen. Ich kommuniziere dann ganz klar, dass sie als Patienten selber entscheiden sollen, ob sie weitersuchen möchten in der Hoffnung zu dem kleinen Prozentsatz jener Menschen zu gehören, bei denen man die Ursache noch nicht gefunden hat, oder dieselbe Energie, die sie ins Suchen stecken mit mir gemeinsam aufwenden um eine Verbesserung der Schmerzen und somit der Lebensqualität auf lange Sicht zu erreichen.
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Eigentlich geht es immer darum die Patienten zu Experten für ihr eigenes Problem zu machen. Und das liegt in unserer Verantwortung als medizinisches Fachpersonal. Ebenfalls liegt es in unserer Verantwortung, passive Patienten zu aktiven zu machen, meistens sind sie nicht verantwortlich dafür, dass sie zu passiven medizinischen Empfängern wurden, sondern das hat man mit ihnen “gemacht”. Und für den Prozess von passiv nach aktiv brauchen die Patienten Zeit und unsere ganze Unterstützung. Da muss man oft auch sehr geduldig sein und darf die Patienten nicht einfach mit einer Massnahme oder Einstellung überrumpeln.
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Tabea: Aber die fordern wahrscheinlich auch und kommen mit Erwartungshaltungen zu euch?
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Ja schon, aber da bin ich immer sehr ehrlich und direkt. Ich verspreche nichts, was ich weiss, dass es nicht haltbar ist. Ich informiere die Patient*innen dann lieber gleich am Anfang über die Erfahrungswerte und Zeit die Schmerzbehandlung braucht, als dass sie wieder falsche Hoffnung schöpfen und nach einer Weile die Geduld verlieren und weitersuchen gehen.
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Tabea: Kannst du mit dem Begriff der Wiederholung was anfangen im Bezug auf deine Therapieform und Erfahrung mit Schmerzpatienten? Zeit und Wiederholung sind in meiner künstlerischen Untersuchung zwei Grundparameter, welche ich im Bezug zu chronischen Schmerzen untersuchen möchte.
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Also Wiederholungen sind natürlich ein grundsätzliches Thema in der Physiotherapie. Wir versuchen beispielsweise über die Wiederholung von kleinsten Bewegungsveränderungen, die noch keinen Schmerz auslösen, die Angst vor Schmerzen sukzessive zu überschreiben und so irgendwann bei der schmerzauslösenden Bewegung anzukommen, ohne dass diese Schmerzen verursacht. Wiederholungen aber auch in dem Sinne, dass wir disziplinübergreifend dasselbe zu den Patienten sagen, damit ein Lerneffekt entsteht.
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Was würde ich morgen machen, wenn ich plötzlich keine Schmerzen mehr hätte? Für einige Schmerzpatienten ist der Schmerz zum Lebensinhalt geworden. Das sind eher wenige, aber es ist immer eine wichtige Frage die sich die Patienten stellen sollten um zu überprüfen, was der Schmerz in ihrem Leben für Dimensionen eingenommen hat.
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Also es gibt ja schon auch Menschen, die schmerzfrei werden und die die chronischen Schmerzen in dem Sinne losgeworden sind. Aber es bleibt auch immer eine Art Narbe, die je nach Situation und Lebensbedingungen sich wieder bemerkbar macht und so zum einen als Schwachstelle, aber gleichzeitig auch als Warnsystem funktioniert, wenn irgendwo was zuviel/zuwenig wird.
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Insgesamt sind deutlich mehr Frauen von chronischen Schmerzen betroffen als Männer. Ich weiss nicht genau wieso, aber viele Entscheidungsebenen, die bei Frauen zusammenkommen können, wie Karriere, Familie, biologische Uhr, ein immer noch klassisch patriarchales Wertesystem, was nicht sehr unterstützend ist. Das ist nur eine Richtung, es gäbe viele Vermutungen.
Gesprächspartner*innen
Eirini Sourgiadaki Kopfschmerzen
Alan Maag Gichtartige Schwellungen
Cornelia Bremi Migräne
Hanna Meister Arthrose
Anonym Migräne
Maria Müller-Schweizer Skoliose, Migräne
André Ljutow und Cem Yetimoglu Schmerzmedizin
Julia Kaufmann Psychologie
Barbara Jost-Sutter Pflegebetreung
Karina Böttger Physiotherapie
Manfred Nelting Alternativmedizin
Dem US-amerikanischen Quantenphysiker und Philosophen David Bohm zufolge bringt der Dialog die Menschen zusammen. Er erlaubt es ihnen, gemeinsam die Welt zu erkunden und Probleme zu lösen. Die Verbindung des Bohm'schen Dialogkonzepts [1], zusammen mit der Herkunft des Wortes Dialog aus der griechischen Wortwurzel διά (diá) „durch, hindurch, auseinander” und des altgriechischen Ausdrucks 'λόγος (lógos) im Sinne von „Wort, Rede sowie deren Gehalt (Sinn)”, inspirierte mich zu meiner Herangehensweise an Gespräche über chronischen Schmerzen: Ein Dialog also, ein sprachlicher Austausch, der das Fliessen von Sinn und das Erschliessen von Bedeutung mit den und durch die beteiligten Menschen sucht.
Mittels eines öffentlichen Aufrufs zum digitalen Dialog [2] über chronische Schmerzen schuf ich die Rahmenbedingungen für eine Art digitale Feldstudie, die aus zwölf ungefähr einstündigen Gesprächen mit Schmerzpatient*innen und Schmerzspezialist*innen besteht. Die Gespräche hatten eine offene Form, angelehnt an die Semi-structured-interview-Technik [3], da es mir wichtig war, auf die Personen individuell reagieren zu können. Ich wollte offen zuhören können und keinen feststehenden Fragekatalog bedienen, auch keine Vergleichbarkeit oder statistische Nutzung anstreben, sondern Einblicke dahingehend ermöglichen, wie unterschiedlich chronische Schmerzen im Leben der Gesprächspartner*innen drinliegen.
Der Gesprächseinstieg fand jeweils über Pedro Oliveiras Überlegung zu Wiederholung und Veränderung aus seiner Hörperformance A Series of Gaps Rather Than a Presence (2019) [4] statt.
Die Aufnahmen der Videotelefonie-Gespräche bilden das Kernmaterial dieser Untersuchung. Die visuelle Bearbeitung der Transkripte sind erste Resultate dieser künstlerischen Forschungsarbeit.
Die Texturbilder, welche jeweils den Beginn eines neuen Transkripts begleiten, sind Ergebnisse einer visuellen Spurensuche nach charakteristischem Ausdruck. In intuitiver Weise suchte ich so lange nach einem Standbild und Ausschnitt aus den Videoaufzeichnungen, bis ich das Gefühl hatte mit der visuellen Aufarbeitung des ausgewählten Moments einen Einblick in die Beschaffenheit des jeweiligen Gesprächs gefunden zu haben.
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