Ngha Baka ist ein musikalischer Austausch und gemeinsames künstlerisches Forschungsprojekt zwischen Katharina Hauke und Nguyễn Baly.
Als Ngha Baka erarbeiten wir musikalische Essays: dialogische Verhandlungen und Erprobungen neo-verbaler Kommunikation und Theorien des Nicht-Verstehens. Ergebnisse sind eine gemeinsame Praxis, ein Archiv an Soundrecordings und Notizen, eine Feedbackinstallation mit Ventilatoren und der Entwurf einer aus unserer gemeinsamen Praxis hervorgegangenen musikalischen Aufführung für zwei Stimmen.
Das Projekt geht zurück auf unsere gemeinsame Arbeit am Musiktheaterstück „singing whales and bodyless sirens”, das wir 2017 mit blend (Hauke, Nguyễn, Sorgo) für das Musiktheater Walpurgis / deFENIKS in Antwerpen, Belgien entwickelten. Unser damaliges Unterthema “non-understanding matters” bewegte sich vorwiegend in einem narrativen und sprachlichen Rahmen.
Wir lasen den Aufsatz „Den Überblick verlieren” von Seloua Luste Boulbina.
Beim Lesen eines anderen Textes* fanden wir heraus, dass wir nicht würden lesen wollen. Oder schreiben. Denn das Nachdenken in Sprache, insbesondere das in Schrift fixierte, trägt in sich schon so viel Geschichte, so viele soziale und wertschaffende Grundannahmen. Die Geschichte, die auch geschriebene und gemachte ist, erlernen wir als Wahrheit, als das, was da gewesen (sei) auf der Welt – dabei ist dies nicht nur ein Bruchteil, sondern auch noch zu ganz großen Teilen, aus ganz vielen Perspektiven nicht wahr. Boulbina spricht von einer nötigen Dekolonisierung des Wissens, davon, dass es nötig ist, den Überblick zu verlieren, also die festen und festgefahrenen Strukturen der Orientierung in der Welt oder dem was wir davon übrig haben wenn wir uns an diese Strukturen halten, zu verlieren, verlernen, vergessen und diesen Prozess nie zu einem Ende (einer neuen Wahrheit) führen zu wollen, sondern in Bewegung zu halten.
Im Alltag sind wir umgeben von Signalen, ist unsere Kommunikation reduziert auf wenige, standardisierte Zeichen, möglichst unmissverständlichen Kommunikationsgehalt, unser Denken bewegt sich in Sprache, unsere Sprache in binärer Logik. Liegt hierin wirklich der Kern unserer zwischenmenschlichen Kommunikation? Oder ist das Konzept von informierendem Sender und informiertem Empfänger, so sehr es auch überholt wurde, nicht ausreichend? Sollten und wenn ja (wie) können wir die Idee verwerfen, dass Informationen oder Bedeutungen von mir zu dir übermittelt werden und sich in dir hoffentlich und nach Möglichkeit so formen, wie sie in mir zuvor in mir existieren? Wenn eine Information in dir einen Effekt erzielt der dem in mir ähnlich ist, wie auch immer wir das bemessen würden, so ist der Zustand, der dafür in deinem System entsteht ein in jedem Punkt von meinem unterschiedener. Folgen wir dem System von Sendern und Empfänger, entfernen wir uns nicht immer weiter von einem einander Verstehen?
Kann es sein, dass der Gehalt von Kommunikation gerade im Außerdem der Kommunikation liegt: In ihrer Form, ihrer Zu- oder Abgewandtheit, ihrem Anliegen, ihrer Offenheit? Dass Informationsaustausch ohne diese Komponenten nicht der Kommunikation zugerechnet werden kann, dass andererseits Formen, die jeglicher Information oder dem Interesse an ihrer Übertragung entbehren, sehr wohl als Kommunikation gelten können – und wie können wir sie als solche erleben? Wenn wir taub werden für die Signale, denen wir im Alltag ausgesetzt sind, können wir hörend werden für all das, was sie umgibt?
Wie kann man der Versuchung, etwas verstehen bzw. interpretieren zu wollen, widerstehen? Interessant für uns ist ein Vokabular zu finden, das beschreibt und nicht vorschreibt und so jede beteiligte Perspektive anerkennt. Wie können wir unsere Sinne wiedererlangen? Und ist es möglich, einander nicht sprachlich, auf einer Bedeutungsebene, sondern per unserer Sinnen einander zu verstehen?
Das Einander-Zuhören nimmt einen großen Anteil unserer Arbeit ein. Wie hören wir zusammen? Wie vereinen wir unsere unterschiedlichen Hörerlebnisse? Wie gehen wir damit um, wenn wir uns nicht verstehen?
Der Versuch, dem jeweils anderen ohne Erwartung, Vorstellung zu begegnen, das Projekt nicht in eine bestimmte Richtung, auf ein bestimmtes Ziel hin zu lenken. Wie das möglich sein könnte wollten wir erarbeiten, durch eine gemeinsame Praxis, die dieses gemeinsame und gegenseitige ent-lernen und willen-lose wahrnehmen probierte. In gewisser Weise bewegten wir uns bei einem kleinsten gemeinsamen Nenner: unserem gemeinsamen oder komplementären Atem. Die meisten zusätzlichen Elemente die sich für kurze Zeit einschlichen wurden regelmäßig wieder verworfen sobald sie sich eingenistet hatten.
Zur Folge hatte diese Arbeitsweise einen langsamen, uneffektiven Prozess der, so es dem Ende zu ging und sich der Außenperspektive näherte, zu viel Frust führte. So hatten wir gegen Ende des Projekts das Gefühl, dem was wir erarbeitet hatten noch Elemente hinzufügen zu müssen, insbesondere damit es ein Genre oder einer Form erfüllen und zB as Performance oder Musikstück gelten könnte. Nach vielen Gesprächen verwarfen wir diese Ansätze wieder, die sich meiner Meinung nach, erst auftaten, da wir begannen, sie sprachlich zu bedenken und erörtern und eben dieser Außenperspektive Zugang zu unserer Praxis zu gewähren.
Für mehr Kritik: den Mythos (anders) lesen.
Charybdis ist mein Solo-Projekt im Sirenenwerden. Trotzdem ich in dieser Welt verortet bin, und Projektionsfläche: was kann ich heraus finden über mich, darüber über mich hinaus?
Kein Publikum außer mir (in dem Sinne Sirene) und nicht trennbar von meinem Außer-Mir, ich wäre ein anderes, in dem Moment und immer, ohne meine Umwelt (Charybdis und das Meer, der Ventilator, der Raum, …).
Nobody lives everywhere; everybody lives somewhere. Nothing is connected to everything; everything is connected to something. 4
Wir sind eins mit unserer Umwelt und sollen dies – uns – drei Mal täglich verkörpern. So lese ich die Odyssee.
Mein Prozess steckt in den Anfängen und wird In schā' Allāh nach dem Post-Graduations-Tief weiter geführt.