Ich bin eine Malerin und Zeichnerin und analysiere die Bilder durch mein Empfinden. Die Empfindung ist in diesem Fall unabhängig von der Versprachlichung, weil diese erst danach kommt. Wenn der Prozess als Spirale betrachtet wird, sind die unterschiedliche Komponenten wie Ort, Material, Werkzeug, Wissen, Ursprung und Handlung die Darsteller in diesem kreisformigen Phänomen.
Um meinen Prozess im Kontext des Forschungsprozesses definieren zu können, nutze ich erneut visuelle Herangehensweisen. Am naheliegendsten schien mir die Methode der Familienaufstellung. Ich gestaltete eine Aufstellung in Bezug auf das Erlebte
Wo befinde ich mich gerade? - in der Verifikationsphase
Protagonisten:
-Ich
-Papier
- Stein
- Linie/Zeichnung
- Materialität
- Aha-Erlebnis
- Experiment
- Bibliothek und Arbeitsproben
- Thematik meiner Kunst (Muse)
Ich stellte das Folgende fest:
- der Protagonist, das künstlerische Ich steht auf seinem Fundament. Das Fundament enthält das gelesene Wissen, Spezialistenwissen, Arbeitsproben und mein künstlerische Herangehensweise für die gestalterische Schöpfung. Stein und Bibliothek formen das künstlerisch-materielle Fundament meiner Arbeit.
- Das Fundament wird mit der Muse durch den Akt des Zeichnens verbunden und überprüft. Dieser Prozess bildet die Phase der Präposition
- Das Aha-Erlebnis ist das Ziel
- Das Ich verbindet sich mit dem Papier durch Experiment und Materialitat
- Experiment, Papier und Materialität bilden ein Dreieck, das zum Aha-Erlebnis führt
- Die Zeichnung verbindet das Ich mit der Muse, dem Aha-Erlebnis und dem Papier
1. Zeichnung
- die Zeichnung als Ursprungshaltung zum Denken und zur Selbstbegegnung (Kopf)
- als Komponente, die alle Medien vereinigt
- Eine „Chimäre“ die die Komponenten Lithographie, Papier und Zeichnung miteinander verbindet, ausgehend von einem Ursprungsbedürfnis, verschiedene Elemente zu vereinigen (dort, wo die drei Komponenten einander begegnen und miteinander spielen); das Ziel ist das Aha-Erlebnis (Bauchgefühl)
- das erzählende Bild mit höchstpersönlichen Motiven als der Baustein und Grundlage, die mich bei der künstlerischen Suchbewegung tragen.
Als Ursprung beschreibe ich das Motiv des Reisenden und seinen Wandlungsprozess. Das ist eine Mischung aus der täglichen Praxis der Zeichnung, dem Experiment und meinem Bildmotiv. Die Zeichnung steht als Kopf der Konstellation. Die Linie ist ein Gedanke, der eine Idee abstrakt vorstellt. Das Setzen von Linien auf einem Blatt Papier ist eine Begegnung mit sich selbst. Das Bild für das Experiment ist Ergebnis aus der Arbeit in der Papier- und der Lithowerkstatt. Es ist eine Mischung aus Litho-Zeichnung und Pulpe-Zeichnung, die auf dem Blatt miteinander spielen. Diese Arbeit entspricht meinem spirituellen Aha-Ergebnis, das der Grund für die Reise in München war. Die unterste Komponente ist ein Bild aus dem Atelier. Da sind die Bildmotive zu sehen, die ich am häufigsten bei meinen Bildern anwende – Vasen, Körperausschnitte, Spiegel, Schatten, geheimnisvolle Umrisse ein anderer Gegenstand.
Diese Ursprungskonstellation der drei Komponenten entspricht meinem „Bild im Spiegel“.
2. Lithographie
– als Grundwissen, Haupthandwerk, Körperwissen, mit dem Stein als hartem Trägermaterial und der Komponente körperlicher Dynamik
- bunte Lithos aus Dresden
- schwarze Korn-Lithos aus München
Durch die lange Arbeit mit Lithografie hat sich dieses Grafikmedium als Grundlage in meiner Praxis verankert. Dieses Medium zeichnet sich durch die dynamische Abwechslung von kräftigen und zarten Bewegungen aus, die sich in einem rhythmische Tanz aneinander annähern und das gestalterische Wissen in den Körper integrieren. Letzten Endes verfügt man mit dem schwer zu beschreibenden Fingerspitzengefühl über einen schnellen Orientierungskompass dafür, was es zu tun gibt, um den schöpferischen Prozess zu starten. Die Beziehung, die sich zum Stein als Material entfaltet, erinnert an einem Gespräch mit einem „starken“ Gegner, der aber bereit ist zu dienen, wenn ich mit ihm gut umgehe.
Die Lithografiewerkstatt wird zu einem Experimentierraum, in dem ich nicht nur alle Zustände eines Bildes nachvollziehen kann, sondern auch unendliche Bildkombinationen durchspiele. Die Drucktechnik eignet sich besonders dafür, sehr malerische Effekte auf dem Stein in unterschiedlichen Farben und Kompositionen zu drucken. Auf der Suche nach der besten Kombination erprobe ich unterschiedliche Entscheidungansätze, die sich im Lauf des Drucktages weiterentwickeln. Das Endziel ist eine „gute“ Entscheidung, auch wenn das Kunstwerk weit weg vom schon imaginierten wahrscheinlichen Ergebnis ist, und im besten Falle lässt sich diese Kombination in einer Edition von vier Drucken abziehen. Die Entscheidungen werden auf dem Prinzip des Vergleichens und Erahnens im Moment getroffen.
3. Papier
– ein neues Handwerk, als unausgeschöpftes Experimentierfeld, etwas sehr Zartes, etwas Unformulierbares, etwas, das immer da war und meine Leidenschaft für das Spielen mit Malerei in den Kinderjahren angeheizt hat
-dünne Kozoblätter aus Dresden
-farbige Pulpemalereien aus München
Papier steht im Mittelpunkt meiner künstlerischen Arbeit. Es ist ein Material, das stark auf Wasser reagiert und es ist ergebnisoffen, durch seine Formbarkeit. Papier wird aus faserartigen Stoffe wie Pflanzen und Textilfasern geschöpft. Es ist zart, leicht und gleichzeitig stark. Die Arbeit in der Papierschöpfwerkstatt ist eine Gelegenheit, näher an die Eigenschaften des Materials zu kommen und das Papier schon beim Schöpfen umzuformen. Als Folge kam die Frage „Welche Bilder kann ich allein nur mit dem Papier erzeugen?“. Das Aufbereiten von Papierpulpe mit Kozofaser (Maulbeerbaum) und gefärbten Papierresten und Halbzeug eröffnet ein breites Feld für Experimente.
So hat die Forschung über die Materialität von Papiers begonnen.
4. Materie – mein Werkzeug beim Schöpfen
5. Aha-Erlebnis – eine ansprechenden Kohärenz in einem Bild, die Auflösung der Problematik, das Ergebnis des künstlerischen Vorhabens
6. Archiv - die Arbeitsproben / Tests, eigene Rezeptbücher – Bücher, Erklärungen, Theorien, selbst entwickelte Arbeitsanleitungen
7. Experiment