# take care

Gefördert vom Fonds Darstellende Künste aus Mitteln der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien.



 

 


die unmittelbare physische Berührung gestaltet das Aufeinandertreffen, den Chrakter der Begegnung zwischen einem nicht-menschlichen Baumkörper und

einem menschlichen Akrobatenkörper




TREE ENCOUNTERS

# Berlin Series

 



artistic dialogues between human & non-human bodies

 

 

towards a movement practice featuring physical knowledge

2 // METHODOLOGY & PROCESS

 

Der ursprüngliche Ansatz dieser Forschungsarbeit, meine eigentliche Fragestellung war 'Wie kann ich in meiner Bewegungspraxis (mit dem Körper über dem Boden) ein Body&Mindset kreieren, das dem physischen, körperimmanenten Wissen mehr Bedeutung und auch eine führende Rolle, zukommen lässt?'


Körper und Verstand sollen in dieser Bewegungspraxis eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe etablieren. Nicht der Verstand allein gibt den Weg und die Form der Bewegung vor, dem sich der Körper unterordnen muss. Diese lang gepriesene 'Körperbeherrschung' erscheint mir nicht zeitgemäß, der Körper wird tatsächlich objektifiziert – dominiert von mentalen Vorstellungen.

Außerdem scheint mir dieser einseitige Ansatz nach über 22 Jahren artistischer Praxis meinen kreativen Spielraum zu limitieren, um noch immer wieder Neues entdecken zu können.


In Anlehnung an das Konzept der 'Correspondence' von Tim Ingold möchte ich mit dieser Arbeit eine Grundlage zu einer Praxis schaffen, die ein offenes, konstruktives Wechselspiel von Führen und Folgen zwischen Verstand und Körper unterstützt.

Als 'Correspondence' bezeichnet Ingold eine Begegnung auf Augenhöhe, eine bewusste gegenseitige Abhängigkeit in einem ausbalancierten Spiel von Geben und Nehmen:


"There is a kind of mutual responsiveness. You throw the ball to the surface, the surface bends a little bit in response to the ball, the ball squishes a little in response to the surface – each takes in something of the other. And the result is a kind of mutual responsiveness of the surface of the ball answering to the surface of the world and I call that mutual responsiveness - CORRESPONDENCE.”


“Correspondence is a kind of labour of love. A process of giving back to the world what we owe to it. We owe our existence to the world (...) give and take (...) in antropology 'participant observation' ”

 

Übertragen auf meine Arbeit als Bewegungsperformerin: die Arbeit mit meinem Körper sollte eine Praxis der Liebe und Achtsamkeit sein, nicht der physischen Ausbeutung, wenn (aus mentalem Ehrgeiz) dem Körper Höchstleistungen abverlangt werden – was genauso im professionellen Tanz und Circus wie im Leistungssport oft der Fall ist. Ich möchte meine Praxis aber als eine Zusammenarbeit des Körpers und Kopfes verstehen, die die Potentiale beider synergetisch vereint, als zu sich bekämpfenden Konkurrenten macht.

Nach Ingolds Worten ein Prozess des Gebens und Nehmens, dem Körper auch etwas zurück zu geben, seine Bedürfnisse zu achten, und vor allem dem körperimmanenten Wissen Bedeutung und Beachtung zuzusprechen, und die Führung zu übergeben.

 

3 // OUTCOMES & FINDINGS

um zu erfahren was genau bei den Tree Encounters passiert ist und welche Ergebnisse dieses Forschungsreihe liefert erkunde die verlinkten Seiten

1 // INTRODUCTION


Was wäre wenn wir bei einem Spaziergang nicht nur Begegnungen mit Menschen Beachtung schenken würden, sondern auch Begegnungen mit Nicht-Menschlichen Wesenheiten?
Im Falle dieser Forschungsreihe beziehe ich mich insbesondere auf Begegnungen mit Bäumen. In physischen Aufeinandertreffen lernen wir uns kennen und gestalten besondere Dialoge. Es gibt so vieles zu bereden. Bäume haben (uns) viel zu sagen. Dennoch komme ich auch mit einer eigenen spezifischen Agenda – ich möchte mich mit ihnen über mein Forschungsthema austauschen: wie ich dem körperlichen Wissen in meiner luftartistischen Bewegungspraxis mehr Beachtung und Autonomie geben kann.

Ursprünglich bin ich professionelle Trapez-Artistin. In der traditionellen Trainings-Praxis geht es in erster Linie um eine (Re-) Konstruktions einer physischen Form – also das korrekte Ausführen einer Pose oder auch eines ‘Tricks’. Dies erfolgt meist nach dem Prinzip das man ein Shape im Kopf ‘vor Augen hat’ und der Verstand dann den Körper in diese Position hineinmanövriert. Aber ist die so oft gepriesene ‘Körperbeherrschung’ nicht eigentlich eine Objektifikation des menschlichen Körpers selbst? Der Körper wird von verstandesgestuertem Ehrgeiz und Erwartungshaltung dominiert und zu gewissen Leistungen gedrängt.
Was mich persönlich vielmehr interessiert ist das Körper-immanente Wissen. Ich möchte diesem non-verbalen Wissensschatz des Physischen eine eigene Rolle zusprechen, der Körper-’Intuition’ ein Mitspracherecht einräumen und ein gemeinsames wechselseitiges Führen- und Folgen von Verstand und Körper etablieren.
Es gilt ein integriertes, holistisches mind- & bodyset zu erforschen.

Mein Trapez in seiner einfachen Geometrie von horizontaler Stange an zwei vertikalen Seilen scheint einen großen Spielraum für Bewegungen zu öffnen. Dennoch habe ich mich allzu oft dabei ertappt, dass ich in antrainierte Bewegungsmuster zurückfiel. Das jahrzehntelange ‘Training’ hat technische Bewegungsmuster eingebrannt, die nur schwer zu durchbrechen sind.
Bei der Arbeit an einem neuen Stück mit einer Baumwurzel in der Schwebe entdeckte ich das Potential organischer Baumarchitekturen. Einerseits bringen sie viele Einschränkungen mit sich – ich konnte eben nicht 1:1 meine Trapez-Techniken auf sie übertragen, andererseits kann ich dennoch viel (neues) Bewegungsmaterial entdecken. In diesen Kreationsprozessen bin ich jedoch mehr denn je auf mein ‘Körperwissen’ angewiesen.
Wer sich schon einmal an komplexen Bewegungsabfolgen über Kopf in der Luft versucht hat, weiß wovon ich spreche... Und selbst bei mir als geübte Trapez-Artistin kommt der Kopf nicht mehr hinterher die komplexen organischen Architekturen der Bäume während einer ersten Begegnung in einer Improvisation zu ‘mappen’ (engl. 'einen (Landkarte/Bau-) Plan machen'). Dieser Fakt schafft Zustände, in denen auch mein Verstand kurz verloren ist, der Körper aber unbeirrt weiter in Bewegung bleibt und somit die Führung übernimmt!

Des Weiteren sind Bäume in ihrer individuellen Form, mit ihren besonderen Charakteristika eigene ‘Persönlichkeiten’ – und unterstützen so meine Suche nach Praktiken einer ‘mutual correspondance’ (T.Ingold) – einem wechselseitigen Dialog auf Augenhöhe. Weder mein Körper, noch das ‘artistische Gerät’ werden objektifiziert. Es geht um ein Zusammentreffen gleichwertiger Wesenheiten, die voneinander und miteinander lernen und gemeinsame Erfahrungen machen.
Es geht um BEGEGNUNGEN – des Verstandes mit der Körperlichkeit, des Menschen mit dem Naturkörper Baum.


TREE ENCOUNTERS – Berlin Series dokumentiert diese non-verbalen Rendevouzs in einer temporär und lokal (auf Berlin) spezifizierten  Forschungsreihe innerhalb eines größeren Research-Projektes.

Die Berlin Series fanden zwischen November 2020 und Februar 2021 im Rahmen einer #takecare Förderung statt.

BIBLIOGRAFIE

 

Ingold, Tim. (2018) Search And Search Again: On the Meaning of Research in Art. min 9:09 CCA Glasgow (Presenter) Podcast. Retrieved from: https://soundcloud.com/cca-glasgow/tim-ingold-search-and-search-again-on-the-meaning-of-research-in-art

 

Ring, Caroline. (2020) Botschafter des Lebens – Was Bäume in Städten erzählen.


Wohlleben, Peter. (2016) Das geheime Leben der Bäume.


Miyazaki, Yoshifumi (2018) Shinrin Yoku – Heilsames Waldbaden. Die japanische Therapie für innere Ruhe, erholsamen Schlaf und ein starkes Immunsystem. Irisiana Verlag 


McAlpine, Fiji. Chakra One Flow & Moving Meditation II. Retrieved from (last time accessed: 31.03.2021) doyogawithme.com: https://www.doyogawithme.com/content/chakra-one-flow, bzw. https://www.doyogawithme.com/content/moving-meditation-ii

das Besondere an

STADTBÄUMEN


Berlin ist eine grüne Metropole, was auch mit der Historie der Stadt zusammen hängen könnte. Vielleicht waren die Berliner besonders bemüht sich die Natur in der Stadt mit viele Alleen und Parks zu erhalten, zu Zeiten in denen man auch nicht so einfach 'raus ins Grüne' fahren konnte...

Wie auch immer – Berlin ist reich an faszinierenden Bäumen, ob an Straßenrändern oder in Parkanlagen. Im Gegensatz zu richtigen Wäldern finden sich hier viele besonders außergewöhnliche Individuen. Der 'Baum-Knigge des Waldes'(Wohlleben, 2016), wie ihn der Förster Peter Wohlleben beschreibt scheint bei eher vereinzelt stehenden Exemplaren nicht so streng genommen zu werden. Dafür entdecke ich immer wieder viele charakterstarke Baumwesen von exzentrischem Wuchs, welche genau dadurch mein Interesse wecken und meinem Körper viel Optionen bieten physisch mit ihnen in Beziehung zu treten.


Im Klappentext des Buches 'Botschafter des Lebens – was Bäume in Städten erzählen' (Ring,2020) heisst es: 'Wer faszinierende Bäume und ihre Geschichten kennenlernen will, muss dafür nicht tief im den Wald verschwinden. In der Stadt genügt oft ein Schritt vor die eigenen Haustür. Hier begegnet man mächtigen Riesen, begehrten Exoten und uralten Zeitzeugen.(...) Manche sind gut versteckt, andere so unscheinbar, dass man an ihnen vorbeilaufen würde. Wieder andere sind so berühmt, dass sie eigene Namen tragen oder in Gedichten verewigt wurden.'


Herausfordernd an der urbanen Atmosphäre ist für mein Projekt jedoch insbesondere das rege Treiben – Passanten (die mal staunend, mal kritisch reagieren), vorbeifahrende Autos & öffentliche Verkehrsmittel, manchmal sogar Boote... Für meine Aufgabe ein besonderes mind&bodyset zu schaffen bedeutet dies eine ständige Aufmerksamkeit den inneren Fokus über eine gesamte Improvisation zu halten, oder zumindest immer wieder zu finden.


 

Eine Studie im Rahmen der Shinrin Yoku Forschung(japan.’Waldbaden’) kommt zu dem Schluss:


“Auch bei einem Spaziergang in Shinjuku Gyoen, einem Park inmitten einer der umtriebigsten Städte der Welt, kann sich der menschliche Organismus entspannen” (Miyazaki, 2018/ p.163).
“Die Ergebnisse (der Experimente zu den physiologischen Auswirkungen des Shinrin Yoku) sind äußerst vielversprechend. Sie belegen eindeutig, dass unser Körper die Natur noch immer als sein Zuhause erkennt – was sehr wichtig ist, da immer mehr Menschen in Städten leben und in städtische Umgebungen ziehen.” untermauert Miyazaki außerdem weiter, und belegt so durch wissenschaftliche Forschung was ich in meinen subjektiven Erfahrungen mit den Tree Encounters auch tatsächlich selbst so empfinde.